Eine Angelner Au – das Oxbektal

Last Updated on 18. September 2023

Vor 5 Minuten*) entstand Schleswig-Holstein, ein Kind der Eiszeiten. Hatte der Weichseleiszeitgletscher im Nährgebiet der Kaltzeit in Skandinavien die Mächtigkeit des Matterhorns (4478m), so war die „Laderschaufel“ voller Geschiebe und Gerölle hier in S.-H. noch 4 bis 500 Meter stark.

*) Kurt-Dietmar Schmidke, die Entstehung S.-H., wenn das Erdzeitalter einen Tag währte

Wie es aber wirklich war, bleibt ein spannendes Rätsel, von Wissenschaftlern und Heimatforschern untersucht. Denn die „Eiszeit“ war ein komplexer Vorgang, der immer wieder Umformungen kannte, wie etwa die gedachte Entstehung des Schnaaper Sanders. Der schüttete wohl die bis Schleswig reichende Eckernförder Bucht mit bestem Osterbyer Sand wieder halb zu. Sehr zur Freude der Kiesindustrie. So wurde unsere Landschaft vielfach „gefaltet & gestaltet“. Wir finden z.B. in Barkelsby besten Bausand (Elternhaus) im Untergrund und 10 Meter daneben blauen Gley. (Nachbar) Auch stand das abtauende Eis weit höher als das Geländerelief darunter. Das konnte dazu führen, dass sich beim Abtauen die Fließrichtungen in den Eistunneltälern „umdrehten“. Ganze Abende und Führungen könnte man mit Erklärungsversuchen füllen. Aber wir Menschen waren vor 4 Minuten nicht wirklich dabei, es war zu kalt.
Während für die „dünne“ Seite der Schlei die „Untersuchungsergebnisse zur Jungpleistozänen Landschaftsentwicklung Schwansens“ von Prof. Walther eine wertvolle Hilfe darstellen, so ist es für die „dicke“ Seite der Schlei Angeln die Schrift des Lehrers Dr. Ernst Lorenzen über die Entstehung und Umformung des Landesteils Angeln von 1938. Seine Arbeitsweise erscheint mir als die einer Interpretation der Höhenlinien des topografischen Kartenmaterials in Kombination mit dem Heranziehen geologischer Spekulationen. Professor Walther arbeitete gern mit dem Handbohrer. Erkundete die Sedimente unterm Landschaftsrelief & die Fließrichtungen des Grundwassers. Modernste Tiefensonarforschungen bestätigen seine Arbeitsweise, mit den Hunderten von tiefen Bohrungen bis übers Grundwasser hinaus. Respekt!

Fahrradtour nach Angeln – das Oxbektal

Als Ausflugsziel meines ersten Septemberwochenendes wählte ich das „Tal der Oxbek“ in Angeln aus. Gerne laufe ich an den Auen & Bächen entlang. Nirgends kann man mehr über die Landschaft lernen als in diesen Lebensadern. Ich bin am Lachsenbach in Eckernförde groß geworden. Erinnere mich an Heudiemen dort am Ufer, mit erster Zigarette und wie wir in den Schneekatastrophen gefährliche Hallen im Tal des Lachsenbaches gruben, 7 Meter Schnee über uns. Die Alten berichteten vom Lachsestechen mit der Forke. Später, in den 80iger Jahren, gründete ich erfolgreich eine Bürgerininitiative gegen die Verrohrung dieses Paradieses. Der Lachsenbach wurde eher entrohrt und ein Eckernförder Vorzeigeprojekt. Die Liebe des Süderbraruper Postmeisters Adolf Petersen (gestorben 1949) zur „Loiter Aue“, beschrieben im Jahrbuch des Heimatvereines der Landschaft Angeln von 1981, verbindet ihn mit allen anderen Bachfreunden.
Was ist der Unterschied zwischen einem Bach und einem Fluß? Professor Dr. Richard Pott stellt diese Frage in seinem Buch: „Gewässer des Binnenlandes“ und gibt folgende Antwort: „In erster Annäherung können Bäche als Fließgewässer mit relativ geringer Wassertiefe und insgesamt kleinem Gewässerquerschnitt und den daraus resultierenden starken Interaktionen…zwischen Wasserkörper, Gewässersohle, Ufer und angrenzender Ufervegetation definiert werden. Hierbei stehen Wasser und Ufervegetation meist in unmittelbarem Kontakt. Im Gegensatz dazu dominiert bei Flüssen aufgrund des großen Abflußquerschnittes der Wasserkörper gegenüber der Uferzone“ Ich schlage vor, die „Loiter Au“ im Unterlauf als den einzigen Angler Fluß zu betrachten.
Auf den topografischen Karte von Süderbrarup und Kappeln hatte ich (vielleicht wie Dr. Lorenzen) am Morgen der Fahrradtour die 20 Meter Höhenlinien mit dem weichen Bleistift geschwärzt. So entstand schon auf der Karte das Bild eines Tals südlich der Norderbraruper Kiesrückenlandschaft von Ost nach West verlaufend. Nördlich dem Verlauf der Bundestraße 201 ein Stück folgend.
Das Jahrbuch des Angler Heimatvereins von 1963 verrät: Northbradorp bedeutet das Dorf am Abhang, an der Kante. Hier soll das Schmelzwasser der Eiszeit vor „wenigen Minuten“ (Schmidke) in den Radialtälern herabgerauscht sein. Zur wilden mächtigen Oxbek hin. Der Bek, an der später die Ochsen weideten. Im warmen grünen Tal der Bek war nach der Eiszeit auf fettem Gras wohl gut Oxen mästen. Einstmals war die Ochsenmast die „Creme“ der Tierhaltung.
Dr. Lorenzen spricht bei der Scheggeroter Au und der Flaruper Au und der Loiter Au von „Radialtälern“ und meint damit landschaftsgestaltende nördliche Abflußrinnen der Schmelzwasser zum Haupttal hin, der Oxbek, die das Schmelzwasser des gesamten Eckernförder Getschers einmal zur Nordsee hin entwässert haben soll. Ich bleibe skeptisch. Vor der letzten Eiszeit gab es die vorletzte Eiszeit und vielleicht noch eine mehr davor. Daraus resultierte ein letztlich unerklärbarer Kuddelmuddel von Formungen, Umformungen & Materialtransporten. Ein weites Feld für Debatten der Heimatforscher.

Die älteste für mich auffindbare Karte der Oxbek und der anderen Auen stammt von 1649.

Bildschirmfoto der ältesten auffindbaren Karte der Oxbeklandschaft

Westlich von Rabenkirchen (kommt von Rafnaekyaer 1231, das „Rabenkratt“) zwingt das Landschaftsrelief das Wasser westlich in Richtung Loiter/Boeler Tal zu fließen. Ein Teil des Wassers vom Norderbaruper Kiesrücken ist da der Oxbek bereits östlich der Biogas- und Schweinemastanlage Wendel als Schegerotter Au zugeflossen. Noch östlicher entwässert die Oxbek die Rabenkirchener Höhen und später kommt die Flaruper Au von Norden dazu. Aber auch von Süden, vom südlichen Talrand, kommt Wasser, das der Schukier Au, die das Schukjer Moor entwässert.
Bei Justrup unterquert die kleine, feine Oxbek die Straße nach Scheggerot. Scheggerot bedeutet die Rodung bei Skaeggi. Ab Justrup (bedeutet das Dorf) begleitet die Oxbek einen Wanderweg und einen breiter Schutzstreifen vor den üppig gedüngten Maisäckern Angelns. Das Glanzgrün und die Höhe des Maises zeigen dem geübten Auge deutlich Bodenart und Düngekunst des fruchtbaren Angelns an, „de dicke Siet vun de Slie“. (Slie bedeutet nach dem Angeliter Heimatbuch und der Topographie der Landschaft Angeln von Berthold Hamer übrigens die mit Schlick bewachsene Meeresfurt, stimmte also vor Jahrhunderten bereits, na ja, sie war da noch flacher als heute, 1,5m tief).
Bei Justrup fließt der Ochsenbach träge und gut einen bis zwei Meter breit und handspreitentief nach Westen. Aus der Fließgeschwindigkeit von 30 bis 40 sek/m ergibt sich eine Vorstellung des wenigen Wassers hier. Eine befragte Anliegerin sagt, der Ochsenbach kann auch anders und Keller füllen.
Das geht einige Kilometer weiter westlich bereits „anders“. Bei Rurupland ist sie in diesem Sommer 3 Meter breit und braucht für einen Meter nur 4 Sekunden. Bei Billwatt ist sie vier Meter breit und 25 cm tief und munter (25cm/s).
In ihrem Mittellauf bei Süderbrarup wird sie auf beiden Seiten von einem Os mageren Sandes begleitet. (Heidberg) und dient dem Klärwerk Süderbrarup als Vorflut. Das Grundsediment der Au ist kiesig mit wechselnder organischer Auflage, zum Teil bester Forellenlaichgrund. Beim Brebelholzer Gehege und schon in Billwatt allerdings ist der Kiesgrund z.T. mit Fadenalgen bewachsen, dort hätte Forellenlaich es schon bedeutend schwerer. Bach & Meerforellen verirren sich aber kaum in die Oxbek, weil der Betonfischtreppe des Kreuzaubauwerks die Beschilderung für Salmoniden fehlt, „bitte hier entlang …“ Vielleicht aber können manche aus Fischteichen in die Oxbek ausbüxen.
Im Kreuzaubauwerk mündet die Oxbek in die Loiter Au, die das Loiter „Radialtal“ entwässert. Hier plant der Auenverband eine neue Mündung der Oxbek in die Aue mit den vielen Namen. Fischdurchgängigkeit vom Feinsten: Gewässeringenieurskunst – EU gefördert -. Wo die Wegweiser für die Meer und Bachforellen nicht mehr gebraucht würden. Da sind immerhin 60 oder 70 cm Gefälleunterschied anzugleichen. Vielleicht verschwindet ja auch ein wenig Uferbefestigungsbeton ermöglicht also Bachfreiheit und man sorgt sowohl für Räumung als auch für Beschattung.
Lesen wir einen wunderschönen Satz von Dr. Ernst Lorenzen, einem Angelner Heimatforscher, in seinem Beitrag: „Die Oberflächenformen der Landschaft Angeln“, erschienen in den Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für S.-H. XXII Heft 3:

„Kurzkuppige, steile Höhen, tiefe, teils kesselförmige, teils talförmig langgestreckte Senken bilden das wechselvolle Bild der Oberfläche dieser Landschaft. Durch das unübersehbare Durcheinander der Höhen und Tiefen haben sich Talsysteme gebildet, die teils breite, teils schmale Talsohlen mit ganz unregelmäßigen Gefälleverhältnissen aufweisen und das ganze Gebiet des Oxbektals in Südwestlicher Richtung durchziehen.“

Durch dieses „Durcheinander“ Angelns führte das Sonntagsvergnügen meiner Fahrradtour. Von Schegerott der Rodung bei Skaeggi südlich nach Justrup, dem Dorf, dann auf dem Wanderweg nach Süderbrarup (Lerchenfeld/Thorsberg/Klärwerk über die Brücke), den Ruruplunder Wanderweg auf der L23/L28 entlang, über die Brücke Billwat (die Furt am Ochsenbachwinkel, die Bek macht hier einen 90 Gradwinkel) und zurück über Winkelholm nach Scheggerot.
Ich machte drei Sauerstoff/Temperaturmessungen (vor dem Einlauf des Klärwerks und danach, eine im NSG bei der Wanderwegbrücke nach Rüruplund) und drei Wasserproben einmal bei Justrup und einmal bei Rüruplund NSG und 20 Meter unterhalb Kreuzau.
Das Wasser des Oxbek ist zu warm. 18,4 °C vorm Klärwerkseinlauf und 20,4 °C beim NSG. Dadurch wird im Sohlensediment festgelegtes Eisenphosphat reduziert und, wieso auch immer, die Phosphatwerte sind viel zu hoch: bei Rürup 4mg PO4 und bei Justrup gute 2mg, aber nur 0,4mg nach dem Zusammenfluss beim Kreuzaubauwerk. Aber das sind ja alles nur Momentaufnahmen. Aber die Sedimente müffeln nach H2S, also ist Rücklösung des Eisenphosphats im Spiel.
Da ich aus Schwansen komme und weiß, wie garstig rund 50 Empörte auf einer Sitzung des Umweltausschußes in Rieseby auf meine Messungen an seiner Klärwerksau, der Petribek, reagierten, habe ich in Süderbrarup lieber nicht gemessen und den braunen Schaumteppich bei Lerchenfeld weder gesehen noch fotografiert.
Aber eine kostenarme Lehre des Klimawandels sollte die einseitige Räumung der Oxbek von Norden her sein und das Zulassen von Erlen auf der Südseite. Hier die Fotos von der Oxbek mit kurzen Bemerkungen.

Bei Justrup sehen wir einen geraden Verlauf und zu viel Licht im System, in der Ferne Süderbrarup; Begradigter Verlauf, guter Kiesgrund, Räumung von der falschen Seite, dadurch zu warm (20 °C, Sauerstoff nur 7,5 mg, für ein Bächlein also wenig.), Grünland, Schutzstreifen vorm Mais beachtenswert.
Was für ein feines Bachsediment, perfekter Laichgrund: an der Justrupbrücke.
Einleitung des Süderbraruper Klärwassers in die Oxbek, welch wasserbauliche Ingenieurskunst, welch wunderbar lange Geröllstrecke zur Sauerstoffanreicherung.
Hier unterhalb des ca. 30 ha großen NSG Heidberg/Os der Oxbek ist sie “frisch“ aber auch hoch Phosphat belastet; der Sauerstoffgehalt 10,3 mg, die Temperatur mit 20,4 °C zu warm. Fantastisches Sediment. Mehr Beschattung, bitte.
Die Oxbek, einstmals brüllender Gletscherabfluß, heute eine kleine Angelner Au.
Blick ins Oxbektal bei Rüruplund. Das Tal hier etwa 600 bis 800 Meter breit, vielleicht einmal der Abfluss des Eckernförder Gletschers zur Nordsee hin.
Der Angelner Heimatverein machte mich darauf aufmerksam, dass die Oxbek voller Krebse sei. So fuhr ich nochmals 1 Woche später wieder hin, mit Wathose und Planktonkescher. Die großen Krebse konnte ich so nicht fangen, alle 5 bis 10 Meter hocken sie zwischen dem katzenkopfgroßen Geröll. Wie flink sie sind. Ein kleiner „Amerikaner“ ließ sich fangen. Massenhaft Bachflohkrebse, einige Zuckmückenlarven kategorisieren das Gewässer in die Güteklasse 2. All die Krebse freuen sich schon auf den Fischlaich der Bach und Meerforellen. Denn die können „demnächst“ in die Oxbek aufsteigen.
Fischtreppe der Oxbek in die Loiter Au; etwa 20 Meter weiter zeigte die Loiter Au unter 6mg Nitrat und 0,36mg Phosphat. Es scheint die Oxbek der „Übeltäter“ zu sein. Aber Messungen sind Momentaufnahmen.
Vier Meter breit und teilweise knietief und fast so hurtig wie die Loiter Au ist die Oxbek beim Zusammenfluß Kreuzau. Im Archiv des Heimatvereins in Sörup gibt es Fotos der Überschwemmungen 1979. Das Gewässersystem ist eine wirkliche Aue. Sie liefert der Schlei geschätzt 12 Tonnen Phosphat im Jahr und kann allein jährlich die Schleifurt einmal mit reinstem Angeliter Wasser füllen. Das Brebeler Großgehege reicht als Beschattung nicht. Aber „schier“ der Zustand.

Im September 2023 Karl Walther, Vormann des SIEZ®

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