Das Hochwasser vom Freitag, dem 20.10.2023

Last Updated on 18. November 2023

Bereits am Mittwoch, dem 18. Oktober 2023 stiegen die Pegelstände an der Ostsee und in der Schlei stark an. Anhaltender Ostenwind trieb die Wassermassen der See gegen die Schleswig-Holsteinische Küste. Der Starkwind entwickelte sich zum Sturm mit kräftigen Böen und die noch im Laub stehenden Bäume bogen sich und warfen starke Äste ab, fielen aber in der Menge nicht.

Das Hochwasser ist weg, die Sorgen nicht

Am Samstag, dem 21.10.2023 hatte das Hochwasser um 14 Uhr seinen Höhepunkt überschritten. Erleichtert stellten die Bewohner z.B. der Holmer Fischersiedlung in Schleswig fest, dass das Wasser aus ihren Häusern abfloss. Alle Möbel waren soweit möglich in obere Räume gebracht worden…all hands on deck, the captain cried…(A salty dog, procul harum) Familien & Nachbarn & Schiffsbesatzungen halten zusammen.
Gerade in Schleswig hat das Hochwasser erhebliche Schäden angerichtet. Die Region begann folgende Fragen zu debattieren: wer bezahlt die Schäden, welche Vorsorgemaßnahmen können in Zukunft getroffen werden, kann solch ein Hochwasser bald wieder kommen, was sind die Ursachen?
Jedes Hochwasser ordnen wir Menschen in eine Häufigkeit ein. Jahrtausendhochwasser wie die Große Mannstränke von 1300 sind tödlich, grausam, schrecklich, landschaftsverändernd, selten. Jahrhunderthochwasser wie das von 1872 können eine Region heimsuchen, lassen dann aber viele Generationen in „Ruhe“. Deiche brechende Hochwasser wie das von 1962 hallen lange nach. Noch immer sind die Bilder der Menschen auf den schwimmenden Hausdächern in meiner Seele.
Ich habe in den knapp 70 Jahren meines Lebens drei schwerere Hochwasser an der Ostküste erlebt und jedes Jahr zwei bis drei „normale“. Das letzte „schwere Hochwasser“ war das heftigste. Das im August 1989 war in den Häfen ebenso verheerend, aber kurz. Ich erinnere mich daran, wie ich rechtzeitig meine Reusen vor Hemmelmark & Hohenstein bergen konnte um dann mit dem Schleikahn im Hafen vor Borby auf Grund zu sinken. Aber die Bünn hatte gehalten.
Beim den Hochwassern danach konnte ich mit meinem ehemaligen Fischereifahrzeug mit knapp einem Meter Tiefgang auf der Schleisalzwiese wenden. Beim Hochwasser 2017 machte ich zahlreiche Stömungsmessungen, die auf unserer Homepage zu einem kleinen Film führten. Beim letzten HW reichte die Wathose nicht, um zum Forschungsfloß zu kommen, an der Königsburg wird wohl in der Spitze ein Pegel von 1,80m (plus Welle) erreicht worden sein.
Die Hochwasserschäden machen den Besiedlern der Niederungen & Strände das Dilemma und den Schlamassel deutlich, so nah am Wasser zu siedeln. Nur die wenigen Fischer müssen da siedeln, die anderen wollen da siedeln wegen des Blickes und wegen der gefühlten Vorteile der Strand und Küstennähe. Es sind dies gesellschaftlich bevorzugte, teure Siedlungsplätze.
Zigtausende streben als Tagesgäste zum Beispiel an die Strände der Eckernförder Bucht. Es wird von vielen Binnenländern als Vorteil angesehen, wenn man als Camper oder Eigentümer eines strandnahen Grundstücks da wohnt. Man braucht nicht kommen, man ist bereits da. Am Meer. Im Sommer. In Karlsminde hat die Ostsee die auf dem Strandwall stehenden Campingwagen bis über die Strandlagunen hin geflutet. Dann kam auch noch Wasser seitlich von „hinten“. Ein riesiger Hochwassermüllberg ist entstanden und dieser wird zur Hälfte mit Mitteln der Allgemeinheit abgetragen (Das Amt Schlei, dass unserem Schleiverein stets zuverlässig jeden Euro Spende für Informationssammlung verweigerte, zahlt nach sehr kurzer Verhandlung 100.000€ zu) Viele Campingplatzbesitzer geben jetzt auf, das nächste Hochwasser droht. Ich sprach mit einigen in Karlsminde. „Wir geben auf“, sagten sie, „wir wollen nicht nachts in Angst zu Hause sitzen…“
So ist die Wahl des Begriffs „Jahrhunderthochwasser“ bereits politisch. Es ist eher der Begriff 25 oder 30 Jahre Hochwasser zu wählen.
Wer solch eine „privilegierte“ Wahl des Siedlungsplatzes getroffen hat, will gern, dass die Allmende diese Entscheidung durch Deiche, Spülungen und Sperrwerke absichert. Das ist für mich menschlich vollkommen nachvollziehbar. Beim näheren Hinschauen allerdings stellen sich Fragen. Wo dürfen wir im Klimawandel siedeln und wo wird uns der selbst verursachte Klimawandel vertreiben? Sollte die Landesregierung nicht nur auf der strikten Einhaltung der 3 Meter Siedlungsgrenze bestehen sondern eher die 4 Meter Grenze für Neubesiedlung anvisieren? Nachhaltiger wäre es.
Wir, das SIEZ®, hatten für Brodersby 2014/15 eine Schadenspotentialanlyse erstellt. Wir hatten exakt auf die Gefahren des Walter Buer Dammes hingewiesen. Da hat es heftige Dammschäden gegeben, die jetzt grad repariert werden. Und hinter dem auf 2.60 geschrumpften Damm wurde in der Zwischenzeit kräftig gesiedelt. (Remienring/Remienstraße) Das war waghalsig. Nun will die rechtlich genehmigte Besiedlung auch geschützt werden. Ein teures Dilemma.
Die Schleideiche auf Oehe und beim Galgenberg hielten man so grad eben, wie der Treibselstreifen auf den Deichen zeigt. Die Ostsee hätte Maasholm Bad beinah geflutet. Es hat Arnis voll erwischt. Maasholm war sicherheitshalber nach Gelting evakuiert worden.
Das Hochwasser wird uns alle noch lange beschäftigen. Auch die Sparkassen und Banken. Sie wird bis zu den Gutachterausschüssen hin schwappen, wo das Hochwasserrisiko im Bodenwert ufernaher Grundstücke neu zu bewerten sein wird. Es wird die Versicherungen ebenso wie die Versicherten beschäftigen. Der Klimawandel kommt nicht nur in Bangladesh (durchschnittlich 7m hoch) an sondern auch an unseren Ostseestränden und Niederungen. Wie baut man wieder auf, wenn man schon zu niedrig gesiedelt hat oder es als Fischer musste? Wie sicher ist das Erdgeschoss? Muß man sein Erdgeschoss umgestalten? Was ist, wenn sich das gau wiederholt? Vom HW1989 bis zum HW 2017 waren es 28 Jahre vom HW 2017 bis zum HW 2023 nur 6 Jahre.
Wie leichtfertig wir bislang damit umgegangen sind, zeigt die Besiedlung von Olpenitz. Alles begann mit dem Bau der Militärmolen. Die Schleinehrung wurde genährt vom Schönhagener Kliff. Das bricht im Durchschnitt 80 bis 100 cm im Jahr ab. Die Südwest & Westwinde (2/3 aller Winde) erzeugen hier eine Nordströmung. (Siehe Fotos) Der aufgeschwemmte Lehm & die Sande bildeten die Schleinehrung. Der Sedimentationerfolg war positiv. Der Bau der Molen lenkte die Strömung weit um. Jetzt ist die Bilanz negativ. Die Nehrung schrumpft menschengemacht. Die Sedimente kommen jetzt in Oehe an (positive Bilanz vor der Vogelhütte, siehe Foto).
Das war dem Landesvermessungsamt 1978 bekannt. Der Topographische Atlas warnte vor dem Molenbau. Aber nach dem Weggang der Marine war es wohl zu verlockend, amerikanische Investoren dieses Monster „Olpenitzport“ bauen zu lassen. Geschäfte scheinen der Landesregierung vor Natur und Küstenschutz zu gehen. Jetzt muss der Sand, der dort nicht mehr nährt, vorgespült werden. Oder eine neue Schleimündung wird auf mittlere Sicht entstehen. Wer zahlt das und sichert damit wessen Vorteil ab? Wir sammeln die Informationen.
Alle Schutzmaßnahmen vor dem Hochwasser werden starke Nebenwirkungen haben. Ein Schleisperrwerk braucht hohe Seitendeiche und kostet evtl. eine Milliarde Euro. Eigentlich sind massive Eingriffe im FFH Gebiet nach EU Recht auch verboten. Wir vom SIEZ® sammeln Informationen und archivieren sie. Auch die Informationen, die Debatten liefern. Wir mischen uns nicht ein. Deshalb werden wir auch ungerne eingeladen.
Es werden Deiche repariert und erhöht werden. Arnis braucht wohl ne Schippe drauf. Und es werden Deichattrappen gebaut.
Bei der Wiederherstellung vom Walter Buer Damm sollte man eigentlich von einer Deichattrappe sprechen. Auf den losen Sand wird ohne Verbindung mit bindigem Untergrund der weg gespülte grobe Strandsand mit dem Bagger heran gekratzt, mit ner Folie abgedeckt und dann kommt ein flaues Deckwerk drauf. Was hält das? Der Damm schützt vor den Zukunftssorgen der Urlauber und Siedler aber nicht vor einem heftigen Hochwasser.
Bis zur Jahrhundertwende werden die Pegel um einen Meter steigen, eher um ein paar Zentimeter mehr. Es wird statistisch bis dahin noch drei heftige Hochwasser geben. In der Spitze incl. Welle werden die Pegel an der Ostsee stellenweise 2,60m erreicht haben. Die Fotos zeigen es. Da kommt auf die Küste ein Pegel von zunehmend 3,60m zu bei einer Deichhöhe von 3 Metern.
Das Naturschutzgebiet von Jordsand hat Sand und Strandgewinne zu verzeichnen. Siehe Fotos.
Die Niederungen der Schlei sind eine gewaltige Aue. Sie entschärfen die Ostseehochwasser. Die Öffnung der Schlei ist 100 Meter breit und vielleicht 6 Meter tief. Mit einer gewaltigen Strömung schießt die Ostsee hinein. Die neuen Überspülungen werden geflutet und vielleicht 10 Prozent der Flut nehmen diesen Weg. Noch sind es Überspülungen, auch nach dem HW keine Durchbrüche. Die Ostseehochwasser halten meist lange an. Es gibt da keine Ebbe. Ostenwind kann auch mal eine Woche stehen. Halten wir das aus? Wir Menschen stehen vor einer großen Herausforderung. Wir haben zu entscheiden über die Folgen des selbst verursachten Klimawandels. Deichen oder weichen. Das bleibt an der Küste immer die Frage.

Schleideich, der Maasholmbad schützt am Limit – aber gehalten
Abbruch des Schönhagener Kliffs durchschnittlich 1m/Jahr. Sedimentfahne nach -Olpenitz. Entmischung der Sedimente durch die See. Mindestens 24.000 qm Nährmaterial pro Jahr
Sedimentfahne weit um Olpenitz herum, Ziel Oehe
Sandburgenbau soll Brodersbyer Niederungen schützen
Beinahe: Urlaub im Meer
Der geflutete Inhalt einer Kleinstadt am Meer: Campingplatz Karlsminde
Ein wenig Sand auf den Strandsand, ein wenig Folie, ein paar Steine, fertig ist die Deichatrappe, kleine Wellen hält sie aus und vermittelt ein Gefühl
Hochwassergewinner ist die Vogelinsel, es gab neuen Nehrungssand bei der Vogelhütte

Karl Walther für das SIEZ® November 2023

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