Last Updated on 27. August 2022
Ab Mitte August fiel vielen Schleianrainern die Vermehrung von Cyanobakterien auf. Vor allem auf der großen und kleinen Breite, in kleinen Buchten und windauflandigen Stränden waren grüne, grieselige Schlieren bis dicke Teppiche zu beobachten – krankes, stöhnendes Wasser.
In Missunde und Bohnert nahmen wir Proben und machten Fotos. Die Proben zeigten unter dem Mikroskop „wildes“ Bakterienleben und die deutlichen Cyanobakterienstrukturen. Man kann die Chlorophyllzellen deutlich grün erkennen. Ebenso verschiedenste Strukturenkombinationen. Die Probengläser mit den Wasserprobenresten färbten sich nach Absterben der Bakterien am nächsten Tag blau.
Die Wassertemperatur über Grund variierte zwischen 22 bis 24 °C in einer Tiefe zwischen 1 bis 3 Metern. Wir maßen bei Hellör Badestelle unter dem Blaualgenteppich in 2,5 Metern Tiefe 0,4 mg/l Sauerstoff, also quasi sauerstofffreies Wasser. Hier lag die Sichttiefe bei 45 cm, ansonsten überall um die 50 cm.
Bei Tonne 61 hatten wir im Oberwasser bei 24 °C und 8 mg/l Sauerstoff (93% Sättigung), in 3 Metern Tiefe 22,7 °C und 7,07 mg/l O2 (82 % Sättigung)
Am Schwansener Ufer in Missunde in 2,50 Metern Tiefe war der Grund kiesig, die Temperatur lag über Grund bei 23 °C und über Grund maßen wir 8,14 mg/l Sauerstoff (94 % Sättigung). Dies ist eine typische Sommersituation. Gute und schlechte Werte mischen sich. Allerdings fehlt Wind zur Durchmischung der Wasserkörper.
Der Schleigrund ist warm! Es ist Phosphor genug für die Cyanobakterien vorhanden. Die Stoffwechselprodukte dieser Bakterien sind giftig und verursachen bei Badenden Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Im Juli und August läßt kein Schleianrainer selbst seinen Hund in die Schlei.
Die Verarbeitung der absterbenden Bakterienmassen verbraucht Sauerstoff, den wir unter den Teppichen gemessen haben. In Bohnert maßen wir bei 1,5 Metern Wassertiefe unter dem Blaualgenteppich bei 24 °C 6,4 mg/l Sauerstoff, an strömungsreichen Ufern mehr, in Buchten kann man von Sauerstofffreiheit ausgehen.
Cyanobakterien kommen zu allen Zeiten in allen Gewässern vor. Im Frühjahr und Frühsommer entwickeln sich allerdings die Grünalgen massenhaft. Solange gelöster Stickstoff im Gewässer vorhanden ist, kommt es zu einer exorbitanten Grünalgenblüte, die Sichttiefen gehen meßbar zurück und erreichen Werte von unterhalb „Knietiefe“. „Bade niemals in einem Gewässer wo du die Füße bei Knietiefe nicht sehen kannst…“ ist ein Bonmot der Ministerialbürokratie in Kiel. Dann sterben die Grünalgen ab, sinken auf den Gewässergrund und zersetzen sich dort zu fauligem Schlamm. Sauerstoff wird verbraucht und Faulschlamm entsteht. Darüber haben wir oft berichtet. Es sind Millionen Tonnen Faulschlamm auf dem Schleigrund vorhanden (nach unserer Schätzung 6 bis 7 Millionen Tonnen). Durch Wärme über Grund setzt Rücklösung ein und Phosphor aus interner Quelle steht den „Blaualgen“ zur Verfügung. Wenn die Blaualgen sterben, wird erneut Sauerstoff benötigt. Es kann auch zu einem breitflächigen Fischsterben kommen. Der Schleigrund bleibt sauerstoffarm. Die Cyanobakterien nutzen die fehlende Konkurrenz der Grünalgen. Diese sind von gelöstem Stickstoff unabhängig und können „Luftstickstoff“ nutzen. (80 % unserer Atmosphäre besteht aus Stickstoff).
Im März 2022 hat das SIEZ® auf die außerordentlich hohen Phosphatwerte im Schleiwasser hingewiesen. Damals im März waren 0,51 mg/l PO4 im Massenwasser zu finden. Das entsprach der 4-fachen normalen Konzentration.
Wir haben das Massenwasser noch einmal auf Phosphat untersuchen lassen, wiederum bei AGROLAB. Heraus kam am 22.08.2022 ein Wert von 0,91 mg/l Orthophosphat (entsprechend 0,3 mg Gesamtphosphat) in der Königsburgfahrrine in 1 Meter Tiefe. Ein doppelt hoher Wert als der im langjährigen Mittel. Und: Ein Wert bereits am Ende der Massenblüte der Blaualgen, also ein „Restwert“.
Der Klimawandel hat bereits schon längere Zeit den Schleigrund erreicht und setzt Nährstoffe durch Rücklösung in unbekanntem Umfang frei. Auch wenn aus externen Quellen, wie den Klärwerken und der Landwirtschaft, keine Nährstoffe in die Schlei gelangen, düngt sie sich nun intern.
Es sind genug Nährstoffe am Gewässergrund festgelegt, die jetzt durch die Wärme des Klimawandels rückgelöst werden. Eine verflixte Situation!
Gustaf Scheubler wurde im Februar 1918 zum Kriegsdienst eingezogen und schrieb ein Gedicht. Unsere Situation an der Schlei erinnert mich an das Thema.
Treib nie dein Spiel mit einem treuen Herzen
Daß sich dir frei und rückhaltslos ergibt.
Es kommt die Zeit, da Du mit Sehnsuchtsschmerzen
Nach einer Seele trachtest, die dich liebt.
Dann wünschest du zurück mit heißen Tränen
Welch Reinheit Du dereinst im Übermut verschmäht.
Doch deiner Klage wird als Echo tönen
Das hoffnungslose Donnerwort: Zu spät! Zu spät! Zu spät!
Alle Fragen zur Rücklösung können nur sorgfältige Messungen mittels des Forschungsfloßes beantworten! Wann beginnt sie? Wie hoch ist sie? Wann ist es wie warm auf dem Schleigrund. Das muß man einfach wissen!
Man muß es sich folgendermaßen vorstellen: die Grünalgenblüte führt zu einer Faulschlammneubildung von 1 bis 2 mm/Jahr (Nach Angaben des Ministeriums). Die Massenvermehrung der Blaualgen verbraucht genauso Sauerstoff des Schleiwassers und eine zusätzliche Faulschlammneubildung kommt hinzu. Vielleicht noch einmal 1 mm/Jahr. Wir befinden uns damit in einem sich beschleunigenden Prozeß.
Da es im Klimawandel zunehmend zu höheren Gewässertemperaturen kommt, ist mit einer häufigeren Blaualgenblüte in Zukunft zu rechnen. Wirkliches Wissen über die Rücklösung hat niemand. Wir vom SIEZ® wollen dieses Wissen erwerben. Das Forschungsfloß des SIEZ® wird zweimal wöchentlich das Schleiwasser bei AGROLAB beproben lassen und zusätzlich das Schleiwasser unter dem Mikroskop untersuchen und die Temperatur und viele andere Werte ständig messen. Es besteht die Möglichkeit der vorzeitigen Warnung und Weiterleitung der SIEZ®– Informationen an das Land, die Ämter, Kreise und Gemeinden und an die Tourismusbranche. Es besteht die Möglichkeit der Teilhabe an diesen Daten.
Das Forschungsfloß des SIEZ® wird im Herbst 2022 fertig sein.
Zuallererst müssen wir die Schlei „unten“ & „oben“ & „innen“ verstehen lernen. Erst nach dem Verstehen der Symptomatik kann man Verbesserungsvorschläge & Warnszenarien erarbeiten & debattieren.
Dipl.-Ing. Karl Walther (Vorman SIEZ®)
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