Last Updated on 22. November 2020
Faulschlamm in der Schlei – Die Bedeutung für einen guten ökologischen Zustand, Probleme und mögliche Lösungen
Verfasser: Svend Duggen, Dr. rer. nat., Dipl. Geol.,
Geowissenschaftler, Gymnasiallehrer für Chemie und Geographie an der A. P. Møller Skolen in Schleswig.
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Duggen S (2017) Faulschlamm in der Schlei – Die Bedeutung für einen guten ökologischen Zustand, Probleme und mögliche Lösungen. Erstmals erschienen auf der Internetseite des Schleiinformations- und Erlebniszentrums, SIEZ. www.schleiinfozentrum.de am 25. Januar 2016. Letzte Aktualisierung: 30. März 2017.
Zusammenfassung
Der ökologische Zustand der Schlei steckt in einem Dilemma. Einerseits haben verschiedene Maßnahmen seit den 70er und 80er Jahren eine merkliche Verbesserung bewirkt. Andererseits reichen diese bisher nicht aus, um die Schlei in einen guten ökologischen Zustand – wie von der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gefordert – zurück zu führen.
Dabei wäre ein guter ökologischer Zustand der Schlei und ihrer Zuläufe für die Lebensqualität der Menschen in der Region und für wirtschaftliche Faktoren direkt oder indirekt sehr förderlich (Fischerei, Gewerbe im Bereich Freizeit und Erholung, Immobilienwerte, Nahrungsmittelqualität, Landwirtschaft). Eine Rückführung der Schlei in einen ökologisch guten Zustand wäre daher nicht nur umweltmäßig, sondern auch politisch, sozial und ökonomisch nachhaltig.
In dem Bestreben, diesen Zustand zu erreichen, erhalten die Quellen und die Verringerung der Nährstoffeinträge hohe Aufmerksamkeit. Es sind dies vor allem die heutigen Einträge aus den Kläranlagen und der Landwirtschaft im Einzugsgebiet der Schlei. Die Nährstofffreisetzung aus dem Faulschlamm am Grund der Schlei findet Erwähnung, konkrete Lösungsansätze für das Faulschlammproblem werden in der Literatur besprochen, spielen in der öffentlichen Debatte seit einigen Monaten auch wieder eine zunehmende Rolle, sind aber noch nicht Teil der aktuellen Restaurierungsstrategien.
Aus der Literatur, hierunter den Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen seit den 1980/90er Jahren, kann jedoch abgeleitet werden, dass die Rückführung der Schlei in einen guten ökologischen Zustand ohne eine großflächige Bearbeitung bzw. Entnahme des Faulschlamms in absehbarer Zeit sehr wahrscheinlich nicht möglich ist. Maßnahmen wie die starke Einschränkung der externen Nährstoffeinträge aus kommunalen Abwässern und der Landwirtschaft sind weiterhin von zentraler Bedeutung, aber allein offenbar nicht ausreichend, um die Schlei in naher Zukunft wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen.
Dadurch wird die Sanierung der Schlei noch problematischer: Einerseits ist es schwierig genug, die externen Einträge aus Kläranlagen und der Landwirtschaft zu verringern; die hier verzeichneten Erfolge haben immerhin ein halbes Jahrhundert in Anspruch genommen. Die Bearbeitung bzw. Entfernung des Faulschlamms wird im Allgemeinen als aufwändig und teuer angesehen; aber wie soll verfahren werden, wenn sich ebendies für die Rückführung der Schlei in einen besseren ökologischen Zustand als unverzichtbar herausstellte?
Mit einer Kombination von Strategien kann der ökologische Zustand der Schlei in naher Zukunft erheblich verbessert werden. Hierzu gehören weiterhin die Verbesserung der Kläranlagen, die Verringerung der Nährstoffeinträge aus dem Einzugsgebiet der Schlei, Ansiedeln von Unterwasserpflanzen (Makrophyten), Verringerung des Anteils von Friedfisch im Vergleich zum Anteil von Raubfisch sowie sehr wahrscheinlich der umfassende Einsatz technischer Verfahren zur Faulschlammbearbeitung bzw. -entnahme. Wenn die Maßnahmen in diesen Bereichen umgehend außerordentlich verstärkt würden, könnte die Schlei innerhalb von etwa 20 Jahren in einen erheblich besseren, wahrscheinlich sogar guten Zustand zurückgeführt werden.
Wie dieser hinsichtlich Wasserqualität, Flora und Fauna aussieht, wird in wissenschaftlichen Schriften in den Jahrzehnten um 1900 herum beschrieben; eine weit verbreitete Unterwasservegetation mit Laichkräutern und Makroalgen bis in etwa 2,5 m Tiefe, ganzjährige Besiedlung der tieferen Bereiche der Schlei mit Muscheln, Schnecken und Würmern, die als Nahrungsgrundlage für Fische und Wasservögel dienen, eine günstigere Planktonvergesellschaftung und Sichttiefen von etwa 1,5 bis 2 Metern sogar im Sommer in der inneren Schlei.
Der Schwerpunkt dieses Artikels ist, die Bedeutung des Faulschlamms für den ökologischen Zustand der Schlei zu ergründen und Mechanismen für die noch anhaltende Faulschlammneubildung darzulegen. Weiterhin werden Möglichkeiten zur Bearbeitung bzw. Entnahme des Faulschlamms besprochen. Zusätzlich zu bereits in der Literatur diskutierten werden neue Lösungsansätze dargelegt, die anderenorts bereits entwickelt oder in Teilen genutzt werden.
Für die Schlei-Region werden hier die Möglichkeiten zur Nutzung des Faulschlamms als Rohstoff zur Gewinnung von Energie, als Baumaterial, als Düngemittel und zur Gewinnung von Metallen diskutiert. Gelingt eine rohstoffliche Nutzung des Faulschlamms, würde dies zur Finanzierbarkeit der Entnahme des Faulschlamms und somit zu einer Restaurierungsstrategie beitragen können. Mit diesem Konzept würden ökologische Zielsetzungen mit wirtschaftlichen Interessen vereint werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Was ist Faulschlamm?
1.2. Ausbreitung und Menge des Faulschlamms in der Schlei
1.3. Historische Ursachen für die Bildung des Faulschlamms in der Schlei
2. Welche Probleme verursacht der Faulschlamm in der Schlei?
2.1. Phosphat-Mobilisierung und internen Düngung der Schlei
2.1.1. Mobilisierung von Phosphat aus dem ruhig am Grund liegenden Faulschlamm
2.1.2. Mobilisierung von Phosphat bei Aufwirbelung der Faulschlamm-Oberfläche
2.2. Biologische Folgen der internen Düngung
2.3. Das Faulschlammproblem zusammenfassend graphisch dargestellt
2.4. Problem Schwermetallbelastung
3. Mögliche Lösungen
3.1. Direkte und indirekte Beeinflussung der Faulschlammoberfläche
3.2. Entnahme von Faulschlamm und Nutzung als Rohstoff
3.3. Verringerung der Faulschlammneubildung
4. Schlussfolgerungen
5. Literatur zur Vertiefung
6. Danksagung
1. Einleitung
1.1. Was ist Faulschlamm?
Faulschlamm (Fachbegriff: Sapropel) in Gewässern ist eine dunkle schlammige Ablagerung mit einem relativ hohen Anteil an organischem Material, welches unter sauerstofffreien Bedingungen zersetzt wird. Typisch ist ein fauliger Geruch nach Schwefelwasserstoff (H2S).
Faulschlamm entsteht in Gewässern, wenn die Produktion von organischem Material höher ist als durch den im Wasser gelösten Sauerstoff wieder zersetzt werden kann. Überschüssiges organisches Material setzt sich am Grund ab und färbt diesen unter sauerstofffreien Bedingungen zusammen mit gebildetem Eisensulfid schwarz ein (siehe Abb. 1).
Abbildung 1: Faulschlammreiches Sediment aus der Mitte der Kleinen Breite. Die Schalen toter Muscheln und Wasserschnecken können bei Sturm eingetragen worden sein. Alternativ können Muscheln wie die Herzmuschel und Wasserschnecken bei ausreichender Sauerstoffversorgung im Winter und Frühjahr eingewandert und dann beim sommerlichen Sauerstoffschwund abgestorben sein. Lebendige Muscheln und Wasserschnecken konnten in dieser Probe nicht nachgewiesen werden. Photo: S. Duggen.
1.2. Ausbreitung und Menge des Faulschlamms in der Schlei
Ein hoher Nährstoffeintrag führt in der Schlei zu einer Erhöhung der biologischen Produktion, vor allem durch Algenblüten im Frühjahr und Sommer. Die Reste der abgestorbenen Algen sinken auf den Grund und tragen zum Aufbau des Faulschlamms bei.
Als Vorboten für die Verschlechterung des ökologischen Zustandes der Schlei traten bereits 1874 Blaualgenblüten auf. Dies geht einher mit einem sprunghaften rund 15-fachen Anstieg der Ablagerungsrate zum Ende des 19. Jahrhunderts (von etwa 0,5 mm/Jahr auf 8 mm/Jahr) vor Schleswig. Von der Bildung erster deutlicher Faulschlammlager in ruhigeren Buchten und der Fahrrinne der inneren Schlei wurde in den 1930er Jahren berichtet (mit „innerer Schlei“ ist hier der Bereich von Schleswig bis zur Missunder Enge gemeint). Im Zuge der raschen Ausbreitung der Faulschlammlager und des Aufkommens von Algenblüten verschwand bis 1947 die reichhaltige Unterwasservegetation der inneren Schlei einschließlich der an diese gebundene Fauna (Magnus 1874, Hoffmann 1937, Remane 1937, Nellen 1967, Samtleben 1981, Ripl 1986, Feibicke 2005).
Abbildung 2a zeigt eine Karte mit den Mächtigkeiten des Faulschlamms des innersten Bereiches der Schlei in der Schleswiger Bucht und der Kleinen Breite. Die Werte sind zu Beginn der 1980er Jahre ermittelt worden; seither hat die Mächtigkeit durch die anhaltende Faulschlammneubildung wahrscheinlich zugenommen. Belege für einen Rückgang der Faulschlammlager gibt es derzeit nicht, allenfalls Hinweise für lokale Umlagerungen durch geänderte Strömungsverhältnisse bzw. Stürme.
Die Mächtigkeit des Faulschlamms nimmt generell mit der Tiefe zu. Proben aus flacheren Bereichen bis etwa 1-2 Meter Tiefe zeigen, dass das Sediment aus einem hohen Anteil an Sand mit organischem Material in den Zwischenräumen besteht (z.B. Randzonen entlang des Ufers, der Bereich um die Möweninsel und Sandbänke wie der Vaasenberg). In den tieferen Bereichen ist der Anteil an Sand geringer und der Anteil an organischem Material entsprechend deutlich höher, begleitet von einem fauligen Geruch nach Schwefelwasserstoff. Die Mächtigkeit des Faulschlamms ist weit verbreitet mehr als 25 Zentimeter, in einigen tieferen Bereichen über 75 Zentimeter. In der Großen Breite liegen ähnliche Verhältnisse vor wie in der Schleswiger Bucht und der Kleinen Breite.
Die in Abb. 2a dargestellte Verteilung weist auf eine Anhäufung in den tieferen Bereichen der inneren Schlei hin. Zwar wird organisches Material durch die Algenblüten relativ gleichmäßig gebildet und am Grund der Schlei abgesetzt. Aber durch Wellenbewegung kommt es durch häufigeres Aufwirbeln in den flacheren als in den tieferen Bereichen in diesen zu einer Anhäufung. Außerdem ist in flacheren Bereichen die Sauerstoffversorgung am Grund besser, so dass Faulschlamm dort leichter abgebaut werden kann.
Abbildung 2a: Mächtigkeiten der Faulschlammablagerungen in der Schlei basierend auf Daten von Sedimentkartierungen anhand von 280 Bohrkernen zu Beginn der 1980er Jahre. Nachgezeichnet nach Karten von Ripl 1986 und Feibicke 2005. Zeichnung: S. Duggen.
Daten von 280 Bohrkernen der inneren Schlei aus den 1980er Jahren ermöglichen eine Bilanzierung der Bildung und des Abbaus des organischem Materials (Ripl 1986, Feibicke 2005). Rund 55 % des aus Algenblüten (insbesondere Blaualgenblüten) gebildeten organischen Materials wird demnach noch in der Wassersäule unter Sauerstoffzehrung abgebaut. Von dem am Grund abgelagerten Anteil von rund 45 % wird etwas mehr als 35 % zersetzt. Dies geschieht entweder unter Sauerstoffzehrung (aerob) oder durch Fäulnisprozesse ohne Sauerstoff (anaerob). Die übrigen etwa 7 % des abgelagerten organischen Materials tragen zum langfristigen Aufbau der Faulschlammschicht bei. Dies entspricht einer Netto-Sedimentationsrate von 3-4 mm/Jahr in der inneren Schlei. In den Akkumulationszonen der Faulschlamm-Flächen lag die Rate bei etwa 5 bis 10 mm/Jahr (Ripl 1986). Es gibt keine Daten von neueren Studien, die zeigen würden, ob die Akkumulationsrate sich bis heute verändert hat.
Bis zu Beginn der 1980er Jahre sind auf den 10 km2 der innersten Schlei (Schleswiger Bucht und Kleine Breite) rund 1,3 Millionen Tonnen Faulschlamm am Grund gebildet worden, mit einer Faulschlammneubildung von 30.000 bis 40.000 Tonnen pro Jahr (Ripl 1986). Übertragen auf die gesamte Fläche (19 km2) der inneren Schlei (d.h. einschließlich der Großen Breite) (Gocke et al. 2003), ergibt dies etwa 2,5 Mio Tonnen Faulschlamm mit einer Faulschlammneubildungsrate von etwa 57.000 Tonnen pro Jahr. In der Literatur wird im Allgemeinen eine jährliche Rate von gerundet 60.000 Tonnen angenommen (Ripl 1986, LANU 2001). Unter der Annahme, dass die Akkumulationsrate sich seit den 1980ern nicht verändert hat, lässt sich näherungsweise hochrechnen, dass seitdem erhebliche Mengen an Faulschlamm hinzugekommen sind, und heute etwa 4,2 Mio. Tonnen in der inneren Schlei vorkommen.
Über die Netto-Sedimentationsrate von 3-4 mm/Jahr in der Fläche und 5 mm/Jahr in den Akkumulationszonen lässt sich ebenfalls eine Abschätzung zur Faulschlammmenge in der inneren Schlei machen. Bei 4 mm/Jahr im Mittel in der gesamten inneren Schlei ergäbe dies bei 60 Jahren Faulschlammbildung bis in 1985 mit einer Bedeckungsfläche von 60 % der 19 km2 rund 2,7 Mio. m3, welche mit einer mittleren Dichte von etwa 1,15 Tonnen/m3 (Ripl 1986) rund 3,1 Mio. Tonnen Faulschlamm entsprechen. Die Faulschlammmengen der letzten 30 Jahre hinzugerechnet (unter der Annahme unveränderter Akkumulationsraten) ergibt hochgerechnet bis 2015 etwa 4,7 Mio. Tonnen Faulschlamm für die innere Schlei von Schleswig bis Missunde.
4,2 bis 4,7 Mio. Tonnen Faulschlamm ergäben verteilt auf eine Bedeckungsfläche von etwa 60 % der inneren Schlei (d.h. 60 % von 19 Mio. m2 (= 19 km2)) eine mittlere Faulschlammmächtigkeit von etwa 32 cm bis 36 cm. Dies stimmt von der Größenordnung mit den in Abb. 2 dargestellten Mächtigkeiten des Faulschlamms zu Beginn der 1980er Jahre gut überein.
Im Jahr 2016 gezogene Sedimentkerne aus der Mitte der Kleinen Breite belegen den Beginn der Faulschlammbildung. In Abbildung 2b werden zwei deutliche Sedimentschichten deutlich. Zuoberst liegt eine ca. 30 cm Schicht schwarzer Faulschlamm (Sapropel), in dem praktisch keine Organismen wie Muscheln oder Schnecken gefunden werden können. Die Sapropel-Schicht bildet sich bei hohem Nährstoffeintrag mit hohen Sedimentationsraten und unter Sauerstoffschwund. Unter solchen Bedingungen ist eine Besiedlung mit Muscheln und Schnecken außerordentlich erschwert bzw. gar unmöglich.
Unter dem schwarzen Sapropel liegt eine Schicht, deren Material unmittelbar nach der Entnahme braun ist, sich an der Luft aber rasch schwarz einfärbt. Diese Schicht enthält mit etwa 10-15 % einen relativ hohen Anteil an Resten von weißen Schnecken- und Muschelschalen. Diese sind in der Abbildung als helle Punkte sichtbar. Es handelt sich um Gyttja, einem subhydrischen Seeboden, der sich in nährstoffreicheren Seen und inneren Küstengewässern bildet. Gyttja bildet sich allerdings im Gegensatz zu Sapropel in sauerstoffreichen Gewässern (http://www.bodentypen.de/gyttja/). Eine gute Sauerstoffversorgung ermöglicht eine umfangreiche Besiedlung mit Schnecken und Muscheln.
Der Übergang von Gyttja zu Sapropel zeigt somit eine drastische Änderung des ökologischen Zustands der Schlei an. Die Gyttja ist eher der natürlichen Seebodenbildung zuzuordnen. Sapropel wurde als Folge des massiv erhöhten Nährstoffeintrages aus Siedlungsgebieten und intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen abgelagert. Der Übergang von brauner Gyttja zu schwarzem Sapropel zeigt daher den Wandel von einem guten zu einem schlechten ökologischen Zustand der Schlei an. Beobachtungen zur ersten Bildung deutlicher Faulschlammlager in den 1930er Jahren und der raschen Ausbreitung der Faulschlammlager bis in die Mitte der 1940er Jahre ermöglicht eine ungefähre zeitliche Eingrenzung des Übergangs im Zeitraum etwa 1935 bis 1945 (Abb. 2b) (Magnus 1874, Hoffmann 1937, Remane 1937, Nellen 1967, Samtleben 1981, Ripl 1986, Feibicke 2005).
Abbildung 2b: Sedimentkern aus der Mitte der Kleinen Breite. Zu sehen ist zuunterst braune Gyttja als natürliche Seebodenbildung bei ausreichender Sauerstoffversorgung und zuoberst schwarzer Sapropel (der eigentliche Faulschlamm), der durch Überdüngung des Gewässers unter Sauerstoffmangel entsteht. Anhand der Berichte über die Faulschlammbildung in der inneren Schlei lässt sich der Übergang von Gyttja zu Sapropel bei etwa 1935-1945 eingrenzen. Der sandige Horizont wurde bisher nur bei einem Sedimentkern nachgewiesen, weshalb die Herkunft unklar ist. Denkbar wäre, dass es sich um die Ablagerung eines Sturmflutereignisses handelt, z.B. der Sturmflut 1872, was aber überprüft werden muss. Photos: M. Seifert 2016.
Die Übereinstimmung hinsichtlich der Bildung von Gyttja und Sapropel in der Schlei und dem Trummen See in Schweden ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Basierend auf den Daten eines Langkerns am Wikingturm lag die Sedimentationsrate der Gyttjabildung um 1890 bei etwa 0,5 mm/Jahr, stieg in den folgenden Jahrzehnten rapide an und erreicht um 1930 knapp 8 mm/Jahr (Ripl 1986). Im ebenfalls hoch nährstoffbelasteten Trummen See wurde 1970 eine 30 cm mächtige schwarze Sapropelschicht nachgewiesen. Die oberen 20 cm hatten sich mit einer Sedimentationsrate von etwa 8 mm/Jahr gebildet, die unteren 10 cm mit lediglich 2,5 mm/Jahr. Die Sedimentationsrate in der darunterliegenden braunen Gyttja wird mit etwa 0,4 mm/Jahr angegeben und der zeitliche Übergang von Gyttja zu Sapropel mit etwa 1940 (Björk 2014). Der Trummen See ist als Vergleich für die Schlei von besonderem Interesse, da die Entfernung des Sapropels zu Beginn der 1970er Jahre rasch zu einer sehr deutlichen Verbesserung des ökologischen Zustands des Trummen Sees geführt hat (Björk 2014).
1.3. Historische Ursachen für die Bildung des Faulschlamms in der Schlei
Die Ursachen für die Faulschlammbildung werden in der Literatur herausgestellt (z.B. Ripl 1986, Sterr und Mierwald 1991, Feibicke 2005, Ohlendieck 2009). Der Anstieg der Ablagerungsrate von 0,5 mm/Jahr auf 8 mm/Jahr, das Entstehen von Blaualgenblüten und das Auftreten von großen Fischsterben seit der Mitte des 19. Jahrhunderts geht vor allem mit der Entwicklung von Besiedlung und Gewerbe im innersten Bereich der Schlei einher, hier insbesondere mit der Entwicklung der Stadt Schleswig. Es sind dies vor allem der rapide Ausbau der Mischkanalisation, dem Anstieg und stoßweisen Einleiten ungeklärter Abwässer aus Haushalten, Straßen und Gewerbe.
In der Literatur wird deutlich, dass bereits bis 1947 auf diese Weise der ursprüngliche gute ökologische Zustand der Schlei verloren gegangen war. Dieser war geprägt durch eine ausgedehnte Unterwasservegetation mit erheblichen Sichttiefen und einem größeren Artenreichtum sowohl bei Flora als auch Fauna (Ripl 1986, Nellen 1967, Samtleben 1981, Feibicke 2005).
Bis 1945 spielte dagegen die Einleitung von Nährstoffen aus der Landwirtschaft eine untergeordnete Rolle (Feibicke 2005). Das Klärwerk in Schleswig ging 1956 in Betrieb und wurde seit den 1960er Jahren um weitere Reinigungsstufen erweitert (mechanische Reinigung, Phosphat- und Stickstoffeliminierung), wodurch die Nährstoffeinträge aus kommunalen Abwässern erheblich reduziert wurden. Mitte des 20. Jahrhunderts stieg allerdings der Eintrag von Nährstoffen durch die notwendig gewordene Intensivierung der Landwirtschaft und geänderter Flächennutzung an (Sterr und Mierwald 1991, Feibicke 2005). Dadurch wurde die Quelle für den Nährstoffeintrag in die Schlei zwar verlagert, war aber weiterhin hoch, so dass die Faulschlammneubildung als Folge von Algenblüten aufrechterhalten wurde – bis heute.
Im Zuge der historischen Entwicklung hat sich die Faulschlammbildung offenbar von der inneren Schlei her in Richtung Ostsee ausgebreitet. Dies liegt daran, dass die Nährstoffeinträge in der inneren Schlei historisch am höchsten waren bzw. sind: Hauptquellen sind kommunale Abwässer im Zusammenhang mit relativ hoher Besiedlungs- und Gewerbedichte und der Umstand, dass rund 55 % des Einzugsgebietes der Schlei mit intensiver Landwirtschaft über die Füsinger Au in die Kleine Breite entwässert (Ohlendieck 2009).
2. Welche Probleme verursacht der Faulschlamm in der Schlei?
Der in rund hundert Jahren gebildete Faulschlamm beeinflusst massiv die chemischen und biologischen Vorgänge in der Schlei. Eine ausgeprägte Sprungschicht zwischen dem oberen und unteren Wasserkörper, sei es durch Unterschiede in der Temperatur (wie in tiefen Seen) oder des Salzgehalts (wie in tieferen Bereichen der Ostsee), ist in der inneren Schlei nicht nachgewiesen worden und wegen der geringen durchschnittlichen Tiefe von 2-3 Metern auch nicht zu erwarten. Daher kann der Nährstoffkreislauf und die biologische Produktion der gesamten Wassersäule direkt und rasch von den chemischen Vorgänge im Faulschlamm beeinflusst werden.
Die biochemischen Prozesse in Faulschlämmen sind komplex (Ripl 1986, Fossing et al. 2002, Feibicke 2005, Ohlendieck 2009). Hier werden einige Hauptprobleme hervorgehoben, die für den ökologischen Zustand der Schlei und Lösungsstrategien direkt relevant sind. Eine zentrale Rolle für das Verständnis dieser Vorgänge und Strategien spielt das Phosphat.
2.1. Phosphat-Mobilisierung und interne Düngung der Schlei
Die biochemischen Prozesse im Zusammenhang mit Faulschlämmen sind komplex (Ripl 1986, Fossing et al. 2002, Scheffer 2004, Feibicke 2005, Ohlendieck 2009). Hier werden einige Hauptprobleme hervorgehoben, die für den ökologischen Zustand der Schlei und Lösungsstrategien direkt relevant sind. Eine zentrale Rolle für das Verständnis dieser Vorgänge und Strategien spielt die Mobilisierung von Phosphat (PO43-). Der alljährliche Anstieg des Phosphat-Gehaltes im Wasser der Schlei zeigt, dass Phosphat in den Sommermonaten in großen Mengen mobilisiert wird (Abb. 3). Dies verursacht eine interne Düngung des Gewässers.
Für die Mobilisierung von Phosphat gibt es grundsätzlich zwei unterscheidbare Situationen:
1) die Mobilisierung aus dem ruhig am Grund liegenden Faulschlamm, und
2) die Mobilisierung bei Aufwirbelung der Faulschlamm-Oberfläche.
Abbildung 3: Gehalte an gelöstem und damit biologisch verfügbarem Phosphat (PO43-) in filtrierten Wasserproben aus 1 Meter Tiefe aus der Kleinen Breite in der Schlei (rot – 2012, orange – 2013, grün – 2014, blau – 2015). Für eine genauere Beschreibung der Methode siehe Duggen (2015) auf www.schleiinfozentrum.de.
2.1.1 Mobilisierung von Phosphat aus dem ruhig am Grund liegenden Faulschlamm
Jedes Frühjahr entsteht in der inneren Schlei durch die im Winter und Frühjahr erhöhten Nährstoffgehalte eine Algenblüte – die Frühjahrsblüte. Diese besteht überwiegend aus Grünalgen und Kieselalgen. Die Frühjahrsblüte stirbt im Frühsommer ab und setzt sich als jüngste Schicht auf den älteren Faulschlammschichten ab. Das organische Material der Frühjahrsblüte wird unter wechselnden Sauerstoffbedingungen zersetzt und gibt dabei erhebliche Mengen Phosphat und andere Nährstoffe in die Wassersäule frei (Ripl 1986, Meyerhöfer 1997, Scheffer 2004, Ohlendieck 2009). Durch diesen Prozess werden die im Frühjahr an die erste Algenblüte gebundenen Nährstoffe bereits im Frühsommer wieder mobilisiert.
Die Zersetzung der Frühjahrsblüte verbraucht Sauerstoff an der Grenzschicht zwischen Wassersäule und Faulschlamm. Sauerstoffschwund an der Oberfläche des Faulschlamms ermöglicht die Rücklösung von Phosphat auch aus den älteren Faulschlammschichten, wenn die im Faulschlamm vorhandenen Eisen(III)-Verbindungen zersetzt werden.
Eisen(III)-Verbindungen enthalten Eisen als Fe3+-Ion. Phosphat kann dann entweder als Eisen(III)phosphat (FePO4) vorliegen oder an Eisen(III)oxidhydroxid (FeOOH) gebunden sein. Letzteres ist übrigens Hauptbestandteil von Rost und kann an der Faulschlamm-Oberfläche zeitweise zur einer rostbraunen Färbung führen.
Beide Eisen(III)-Verbindungen sind in Wasser schwer löslich. Der größte Teil des Phosphats wird dadurch im Faulschlamm chemisch gebunden und steht für Algen als Nährstoff nicht zur Verfügung. Ein geringer Teil des Phosphats liegt aber gelöst im Porenwasser des Faulschlamms vor und kann von dort in die Wassersäule entweichen. Letztlich besteht ein Gleichgewicht zwischen Phosphat in Eisen(III)-Verbindungen und Phosphat im Porenwasser. Bei einem Abbau der Eisen(III)-Verbindungen würde mehr Phosphat ins Porenwasser des Faulschlamms abgegeben werden und in die darüber liegende Wassersäule entweichen und die Schlei aufdüngen (Ripl 1986, Fossing et al. 2002, Scheffer 2004, Feibicke 2005, Ohlendieck 2009).
Ein sehr wesentliches Problem für die Stabilität der Eisen(III)-Verbindungen ist der Meerwasseranteil in der Schlei. Salz- und auch Brackwasser enthält Sulfat (SO42-), welches durch Bakterien bereits wenige Zentimeter Tief im Faulschlamm abgebaut wird. Dabei entsteht Schwefelwasserstoff (H2S). Solange in den oberen Zentimetern des Faulschlamms Sauerstoff (oder Nitrat) eindringt, wird der aufsteigende Schwefelwasserstoff zu Schwefel (S) umgesetzt. Fehlen durch frühsommerlichen Sauerstoffschwund sowohl Sauerstoff als auch Nitrat, reagieren stattdessen die Eisen(III)-Verbindungen mit dem aufsteigenden H2S und werden abgebaut. Dabei wird Fe3+ zu Fe2+ umgesetzt und Phosphat wird nicht mehr gebunden. Der Nährstoff Phosphat steigt dann in gelöster Form aus dem Faulschlamm in das Wasser der Schlei auf. Folglich steigen im Sommer die Phosphatgehalte in der Schlei rasch an (Abb. 3).
Sauerstoffschwund wird über die Zersetzung der abgelagerten Frühjahrsblüte hinaus auch durch andere Prozesse verursacht:
1) Die frühsommerliche Nährstofffreisetzung aus der abgelagerten Frühjahrsblüte fördert die sommerliche Blaualgenblüte. Diese trägt in der Schlei zu einer sehr hohen biologischen Produktion bei. Herabsinkendes organisches Material abgestorbener Blaualgen wird unter erheblicher Sauerstoffzehrung umgesetzt und führt in der unteren Wassersäule zu Sauerstoffschwund. Auch das Absterben der Blaualgenblüte und ihre Ablagerung am Grund der Schlei trägt im Spätsommer und im frühen Herbst zum Sauerstoffschwund bei.
2) Eingeleitete und noch nicht oxidierte Nährstoffe wie Ammonium (NH4+) und organische Stickstoff-Verbindungen (z.B. Harnstoff, Aminosäuren) aus kommunalen Abwässern, der Landwirtschaft und der Sportschifffahrt werden unter Sauerstoffzehrung in der Schlei abgebaut. Die Zufuhr von Nährstoffen aus diesen Quellen und ihre Bedeutung schwankt saisonal.
2.1.2 Mobilisierung von Phosphat bei Aufwirbelung der Faulschlamm-Oberfläche
Durch Wind und Wellen können ganzjährig leicht Faulschlamm-Partikel von der Oberfläche des Faulschlamms aufgewirbelt werden. An der Oberfläche der in der Wassersäule schwebenden Faulschlamm-Partikel kann sich Phosphat entweder absetzen oder aber abgegeben werden. Das Absetzen (Adsorption) an bzw. die Abgabe (Desorption) von Phosphat an Faulschlamm-Partikeln ist abhängig vom Phosphat-Gehalt im Wasser: Phosphat wird bei hohen Gehalten an den Faulschlamm-Schwebstoffen gebunden und bei niedrigen Gehalten abgegeben. Hierbei spielt auch der pH-Wert eine Rolle; bei alkalischen pH-Werten, wie sie generell und vor allem im Sommer in der Schlei vorliegen (um pH = 9), wird Phosphat noch leichter von aufgewirbelten Faulschlammpartikel abgegeben (Scheffer 2004).
Die Aufwirbelung von Faulschlamm kann daher einen sehr starken und raschen Einfluss auf die Phosphat-Gehalte in der Schlei haben. Wie bedeutend dieser Prozess für die Schlei sein kann, zeigen Untersuchungen am Arresø in Dänemark. Diese weisen darauf hin, dass die Mobilisierung von Phosphat durch Aufwirbelung etwa 20-30 Mal höher ist, als aus dem ungestörten, ruhig auf dem Grund liegenden Faulschlamm (Scheffer 2004 und Literaturverweise darin, Seite 59).
Maßgeblich für die Aufwirbelung von Faulschlamm ist die Größe der Wellen, welche sich in der Wellenlänge widerspiegelt. Als Daumenregel gilt, dass dort aufgewirbelt wird, wo die Wellenlänge (Abstand von Wellenkamm zu Wellenkamm) doppelt so groß ist wie die Tiefe (Lw > 2D) (Scheffer 2004). Beispielsweise würde bei einer Wellenlänge von 2 Metern Schlamm bis in 1 Meter Tiefe aufgewirbelt. In der Mitte der Kleinen Breite mit einer Tiefe von rund 3-5 Metern, je nach Wasserstand, würde bei einer Wellenlänge von etwa 6-10 Metern Faulschlamm großflächig aufgewirbelt werden. Bei starken Westwindlagen und daran geknüpftem Niedrigwasser sind geringere Wellenlängen erforderlich, weshalb die Schlei dann besonders anfällig für das Aufwirbeln von Faulschlamm ist.
Die Wellenlänge ist u.a. abhängig von der Windstärke, der Anlaufstrecke und der Dauer des Windeinflusses. Mit Hilfe des Swellbeat Wave Calculator (https://swellbeat.com/wave-calculator/) lässt sich abschätzen, dass bei einer Windstärke von 6 Bft, einer Anlaufstrecke von 4 Kilometern (z.B. Wind aus SW) und mindestens 1-2 Stunden Dauer eine Wellenlänge erreicht wird, die genügen würde, um die Faulschlamm-Oberfläche in der Mitte der Kleinen bzw. Großen Breite aufzuwirbeln. Bei Windstärken von 5 Bft bzw. 4 Bft unter gleichen Bedingungen würde bis in etwa 2,8 Meter bzw. 1,7 Meter Tiefe Faulschlamm aufgewirbelt werden. Da diese Windbedingungen häufig in der Region auftreten, kommt das Aufwirbeln von Faulschlamm in den flacheren Bereichen bis etwa 2 Metern in der Schlei sehr häufig und in den tieferen Bereichen der Becken mit rund 4 Metern recht häufig vor.
Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen der Mobilisierung von Phosphat aus Faulschlamm und der Menge von Fischen (z.B. Brassen in der Schlei), die ihre Nahrung am Grund suchen (benthivore Fische). Bei der Nahrungssuche werden selbst in windärmeren Phasen erhebliche Mengen an Faulschlamm aufgewirbelt (Scheffer 2004).
Das Aufwirbeln von Faulschlamm durch Wind oder Fische kann in der Schlei zu einem sehr schnellen Austausch von Phosphat zwischen dem Faulschlamm und dem Wasser führen. Problematisch hierbei ist, dass Phosphat bei niedrigen Gehalten im Wasser von aufgewirbelten Faulschlamm-Partikeln abgegeben werden kann. Dadurch entsteht durch folgende Mechanismen die Möglichkeit, dass eine Algenblüte die Mobilisierung von Phosphat verstärkt oder gar verursacht: Eine beginnende Algenblüte würde die Phosphat-Gehalte im Wasser durch Aufnahme in die Zellen senken. Dies würde dazu führen, dass Phosphat verstärkt von der Oberfläche aufgewirbelter Faulschlamm-Partikel an das Wasser abgegeben wird. Dies führt wiederum zu einer weiteren Massenvermehrung der Algen, im Sommer insbesondere von Blaualgen, die durch Nutzung andere Stickstoffquellen als Nitrat einen Konkurrenzvorteil gegenüber Grün- und Kieselalgen haben. Der Vorgang ist also selbstverstärkend.
Bei häufigem Aufwirbeln von Faulschlamm kann auf diese Weise eine hohe Biomasse mit Blaualgen aufgebaut werden, die sich auch noch selbst mit Nährstoffen unterhält; Absterbende Blaualgen würden noch in der Wassersäule rasch umgesetzt und Nährstoffe freigeben, die sofort für das Wachstum von lebendigen Blaualgen genutzt werden.
Was kann diesen selbstverstärkenden Kreislauf unterbrechen? Letztlich würde die Verringerung der Lichtmenge im Herbst die Blaualgenblüte zusammenbrechen lassen. Das Das dabei in das Wasser freigesetzte und gelöste Phosphat würde dann wieder im Faulschlamm festgelegt werden. Das Absetzen von Phosphat an durch Herbststürme aufgewirbelte Faulschlamm-Partikel würde dann die Festlegung im Faulschlamm beschleunigen.
2.2. Biologische Folgen der internen Düngung
Die Phosphat-Rücklösung aus dem Faulschlamm fördert massiv das Entstehen der spätsommerlichen Blaualgenblüte. Daran sind mehrere Probleme geknüpft, welche nicht nur die Wasser- und Badequalität betreffen, sondern auch den Zustand des Ökosystems Schlei sehr verschlechtern. Einige wichtige biologische Folgen der internen Düngung mit Phosphat aus dem Faulschlamm werden im Folgenden dargelegt:
1) Bei den Blaualgen handelt es sich nicht, wie der Name andeutet, um planktonische Pflanzen wie z.B. die Grünalgen, welche auch in der Schlei vorkommen. Blaualgen sind Cyanobakterien, also Bakterien, die in der Lage sind, das Sonnenlicht für die Photosynthese zu nutzen. In der Schlei kommt vor allem die Art Microcystis aeruginosa vor, welche im Sommer in der inneren Schlei rund 70 % der Algenmasse ausmacht (LANU 2001). Microcystis kann Giftstoffe, sog. Cyanotoxine bzw. Microcystine, freisetzen, hierunter Hautgifte, Lebergifte, Nervengifte, Zellgifte und entzündlich wirkende Substanzen (siehe http://toxische-cyanobakterien.de, Cyanocenters UBA Entscheidungsunterstützungssystem).
Von der deutschen Schwimm- und Badebeckenkommission wurde ein Grenzwert von 100 μg/l für Microcystine festgelegt. Oberhalb dieses Wertes dürfen Oberflächengewässer nicht mehr als Badegewässer benutzt werden (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, 2001). Siehe auch „Zur Empfehlung zum Schutz von Badenden vor Cyanobakterien-Toxinen” des Umweltbundesamtes (2003).
Die Blaualgenblüten in der inneren Schlei fallen seit etwa 10-20 Jahren erheblich geringer aus als in den 1970er und 1980er Jahren. Allerdings kann eine zeitweise Überschreitung der Microcystin-Grenzwerte im Sommer bei dem derzeitigen ökologischen Zustand der Schlei nicht ausgeschlossen werden. Schlieren zusammengetriebener Blaualgen werden auch heute noch zeitweise beobachtet (Abb. 4).
Abbildung 4: Blaualgenblüte in der inneren Schlei im September 2015. Schlieren von Blaualgenblüten driften mit der Strömung aus dem Haddebyer Noor auf den inneren Bereich der Schlei hinaus. Photo: S. Duggen.
2) Die Blaualgenblüte verstärkt Sauerstoffschwund und Phosphat-Rücklösung. Abbildung 3 zeigt den Verlauf von Phosphat-Gehalten in den letzten vier Jahren. Auffällig ist der Anstieg im Juli/August, oft gefolgt von einem zweiten und stärkeren Anstieg im September/Oktober. Der erste Anstieg kann durch das Zersetzen der Frühjahrsblüte an der Oberfläche des Faulschlamms erklärt werden, was sowohl Sauerstoffschwund als auch Phosphat-Rücklösung nach sich zieht. Der zweite Anstieg ist wahrscheinlich auf das Zersetzen der Spätsommer-Blaualgenblüte zurückzuführen, was zu noch stärkerem Sauerstoffschwund sowie Phosphat-Rücklösung führt. Ausgeprägter Sauerstoffschwund kann zu einem Absterben und von bodenlebenden Organismen (z.B. Muscheln, Schnecken, Würmern) und Fischen führen. Blaualgenblüten können also ein „Umkippen“ von Gewässern verursachen.
3) Konkurrenzvorteil von Blaualgen: Im Sommer kommt in der stark mit Nährstoffen belasteten Schlei größere Mengen Phytoplankton vor als im Winter. In Folge dessen ist das Wasser sehr trüb, das Licht dringt nur etwa 1 m tief in das Wasser ein. Biologische Untersuchungen zeigen, dass im Sommer von Schleimünde bis Schleswig das Phytoplankton von Cyanobakterien, also Blaualgen (mit einem Anteil von über 50 %, z.T. bis 70 %), dominiert wird (Meyerhöfer 1997). Noch bis Mitte der 1980er Jahre erreichten Blaualgen im Sommer einen Anteil von etwa 30 mg/L (Ripl 1986), entsprechend 30 g pro Kubikmeter.
Die Dominanz der Blaualgen hängt damit zusammen, dass Cyanobakterien, vor allem das Cyanobakterium Microcystis aeruginosa bei hohen Phosphatgehalten im Schlei-Wasser einen Konkurrenzvorteil gegenüber anderem Phytoplankton wie z.B. Kieselalgen, Grünalgen, Goldbraune Algen und Dinoflagellaten hat. In der inneren Schlei kommen im Sommer neben Blaualgen vor allem Grünalgen (ca. 20-30 %), Goldbraune Algen (ca. 5 %) und Kieselalgen (unter 5 %) vor. In den 1980er Jahren traten im Sommer gelegentlich mit kurzzeitiger Blütenbildung auch Augen- und Dinoflagellaten auf.
Der Konkurrenzvorteil der Blaualge Microcystis aeruginosa besteht darin, dass diese außer Nitrat auch andere Stickstoffquellen nutzen kann, z.B. organische Verbindungen wie Harnstoff. Dieser kommt in Urin vor und kann direkt in die Schlei durch Sportschifffahrt und ggf. Klärwerksabläufe eingetragen werden oder durch den Eintrag aus landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten (Ohlendieck 2009). Auch Ammonium, welches unter Sauerstoffschwund aus dem Faulschlamm freigesetzt wird, kann zur Aufrechterhaltung der Blaualgenblüte beitragen. Die Blaualge Microcystis aeruginosa kann wiederum molekularen Stickstoff aus der Luft (N2) nicht nutzen, wohl aber die Blaualge Anabaena spiroides, die im Hochsommer sehr untergeordnet in der inneren Schlei vorkommen kann (Ripl 1986).
Da Microcystis Gasvesikel besitzen, verbleiben sie lange nahe der Wasseroberfläche und werden nach dem Absterben sogleich mikrobiologisch abgebaut. Dabei freigesetzte stickstoffhaltige organische Verbindungen werden sofort wieder von lebendigen Microcystis aufgenommen. Auf diese Weise können selbst relativ geringe Mengen an stickstoffhaltigen organischen Verbindungen eine massive Blaualgenblüte unterhalten – vorausgesetzt Phosphat steht im Überfluss zur Verfügung, wie dies im Spätsommer durch die Mobilisierung aus dem Faulschlamm durch Sauerstoffschwund der Fall ist.
Erst mit der Rückbindung des Phosphats an den Faulschlamm im Herbst und Zufuhr von neuem Nitrat stellt sich ein günstigeres Nährstoffverhältnis für anderes Phytoplankton wie Grünalgen und Kieselalgen ein (Meyerhöfer 1997). Dadurch geht die Blaualgenblüte zurück, trägt aber bei ihrem Absterben zur Faulschlammneubildung bei.
4) Geringe Sichttiefe: Durch die sommerliche Massenvermehrung von Blaualgen wird das Wasser der Schlei trübe. Die verringerte Sichttiefe begrenzt die Eindringtiefe des Sonnenlichts. Aus älterer Literatur kann abgeleitet werden, dass die sommerliche Sichttiefe zum Ende des 19. Jahrhunderts ungefähr 1,5-2 m war (Magnus 1875). Als es in den 1970er und 1980er Jahren am schlechtesten um die Schlei stand, lag die Sichttiefe bei 20-30 cm (Ripl 1986). Während massiver, vom Wind zusammengetriebener Blaualgenblüten betrug die Sichttiefe im Spätsommer in den 1970er und 1980er Jahren häufig großflächig nur wenige Zentimeter (eigene Beobachtungen des Autors). Messungen der letzten Jahre zeigen, dass die sommerlichen Sichttiefen in der inneren Schlei aktuell im Bereich 40 bis 75 cm liegen.
Die Sichttiefe ist ein Maß für die Eindringtiefe des Sonnenlichts. Bei etwas mehr als doppelter Sichttiefe sind etwa 1 % des vollen Tageslichtes für Photosynthese und Sauerstoffproduktion übrig. Während der sommerlichen Blaualgenblüte in der inneren Schlei entspricht dies aktuell etwa einer Tiefe von 80 bis 150 cm. Unterhalb dieser Tiefe ist das Pflanzenwachstum durch fehlendes Licht stark begrenzt bzw. kaum möglich.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts wies die Schlei eine weitverbreitete Unterwasservegetation mit Laichkräutern und Makroalgen bis in 2-3 m Tiefe sogar in der Kleinen und Großen Breite auf (Magnus 1975). Mitte des 20. Jahrhunderts ging diese durch wiederkehrende Algenblüten verloren. Mit den heutigen Sichttiefen wäre das Wachstum von Laichkräutern und Makroalgen in der inneren Schlei bis bestenfalls in 1,5 m Tiefe möglich. Die Ausbreitung des Kammlaichkrautes in den flachen Uferzonen der inneren Schlei in den letzten etwa 5 Jahren deutet eine Verbesserung der Sichttiefe seit den 1980er Jahren an. Bei zunehmender Verbesserung der Sichttiefe würden Makroalgen auch wieder in tiefere Bereiche vordringen können. Derzeit verhindern die sommerlichen Blaualgenblüten (und massive Faulschlammlager) allerdings eine Wiederbesiedlung der tieferen Bereiche der inneren Schlei mit Makroalgen.
Da Laichkräutern und Makroalgen in der Wurzelzone Sauerstoff abgeben, würden sie zu einer Sauerstoffversorgung des Sediments und somit zur Bindung von Phosphat und zu einem Abbau des Faulschlamms beitragen können. Eine Ausbreitung der Unterwasservegetation würde außerdem in flacheren Bereichen die Wellenbewegung beruhigen und zu einem beschleunigten Absatz von wassertrübenden Partikeln beitragen. Dieser Effekt ist in der Vegetationsperiode gut in den Kammlaichkrautfeldern vor Weseby in der Großen Breite zu beobachten. Dieser Prozess trägt zu einer Verbesserung der Sichttiefe bei.
5) In den 1980er Jahren dominierten im Sommer während der Blaualgenblüte kleinwüchsige Rädertiere (Rotarien) das Zooplankton. Diese verzehren Mikroalgen (z.B. Grünalgen) und Bakterien, können jedoch die koloniebildenden Blaualgen Microcystis aeruginosa nicht als Nahrungsquelle nutzen (Ripl 1986). Einige Arten von Blattfußkrebsen könnten Microcystis aeruginosa fressen, kamen aber nicht in größeren Beständen vor, möglicherweise weil sie eine beliebte Nahrungsgrundlage von Friedfischen sind und somit einem hohen Fraßdruck unterliegen. Das Sommerplankton der inneren Schlei wurde bereits in den 1930er Jahren als Blaualgen-Rädertier-Plankton bezeichnet. In dieser Situation wird relativ wenig Blaualgenmasse von Zooplankton verwertet, was erheblich zum einem hohen Absatz von organischen Material auf den Grund der Schlei und somit zur Faulschlammbildung beiträgt (Ripl 1986).
Ob und wie sich die Situation der Phyto- und Zooplanktonvergesellschaftung seit den 1980er Jahren verändert hat, bedarf einer eingehenden Untersuchung. Die biologischen Untersuchungen von 1996 (Meyerhöfer 1997), das heutige Auftreten der hohen Phosphatgehalte und der Blaualgenblüte im Sommer weist jedoch darauf hin, dass sich die Zusammensetzung der Phyto- und Zooplanktonvergesellschaftung zumindest im Sommer nicht sehr wesentlich verändert hat.
6) Faulschlamm stellt in der Schlei wie anderswo auch eine lebensfeindliche Umgebung dar (Samtleben 1981). An der Grenzschicht zwischen Faulschlamm und Wassersäule kommt in der Schlei im Sommer über 2-3 Monate extremer Sauerstoffschwund vor (Duggen 2015, siehe www.schleiinfozentrum.de). Außerdem kann bei anhaltendem Sauerstoffschwund im und aus dem Faulschlamm Schwefelwasserstoff aufsteigen, welcher für Sauerstoff atmende Organismen äußerst giftig ist (Fossing et al. 2002).
In einer Untersuchung zur Ökologie und Fauna der Schlei wurde in den 1960er Jahren die Ausbreitung von Faulschlammbezirken und als Folge dessen eine Einengung des Lebensraumes für individuen- und artenreiche Lebensgemeinschaften hervorgehoben, sowie die Befürchtung tiefgreifender fischereibiologischer Folgen (Nellen 1967). Einige Fischarten wie Dorsch, Makrele und Hornhecht verschwanden in den 1960ern auch aus der inneren Schlei. Diese sind erst 2014-2015 wieder in der Kleinen Breite gefangen worden (persönliches Gespräch mit Holmer Fischern).
Die Ausbreitung des Faulschlamms sowohl in der inneren Schlei als auch schleiabwärts im Laufe des 20. Jahrhunderts ging mit einem Rückgang und der Zerstörung des Bodenlebens einher. Dies wird bei den Muschelgemeinschaften mit einem Rückgang der Siedlungsdichte und der Abnahme der Körpergröße besonders deutlich. Die Muschelfauna hatte sich bis zum Beginn der 1980er Jahre aus dem inneren Teil der Schlei bis auf einige Relikte auf sandig-schlickigem Grund zurückgezogen und zeigte sich in der mittleren Schlei mit deutlich geringeren Siedlungsdichten (Samtleben 1981).
In der inneren Schlei zwischen Schleswig und der Missunder Enge traten ursprünglich weit verbreitetet Herzmuscheln (z.B. Gemeine Herzmuschel Cerastoderma edule und Lagunen-Herzmuschel Cerastoderma glaucum) und Baltische Plattmuscheln (auch: Rote Bohne, Macoma baltica) auf. Der Rückgang der Baltischen Plattmuschel setzte dabei früher und stärker ein als jener der Herzmuschel. Die noch 1960 in der Kleinen Breite vorkommende Sandklaffmuschel (Mya arenaria) wurde 1980 bereits nicht mehr lebend vorgefunden. Schließlich tötete die Ausbreitung des Faulschlamms auch die anderen Muschelarten und verhinderte durch wiederkehrenden Sauerstoffschwund eine Neubesiedlung (Samtleben 1981).
In der mittleren Schlei führten erhöhte Nährstoffangebote zu einem Konkurrenzvorteil der vorher untergeordnet vorkommenden Miesmuschel (Mytilus edulis) und der Sandklaffmuschel, die zeitweise muschelbankartig auftraten. Dabei wurden die Herzmuschel und die Plattmuschel zurückgedrängt. Als Folge der Ausbreitung der Faulschlammablagerung verschwand auch die Miesmuschel in der mittleren Schlei, der Anteil der Herzmuschel nahm weiter ab, aber der Anteil der Sandklaffmuschel nahm zunächst durch abnehmenden Konkurrenzdruck zu. 1980 war die Sandklaffmuschel aber bis Lindaunis zurückgedrängt worden (Samtleben 1981).
In den breiten Bereichen der Schlei mit geringerer Durchströmung verschlechterte sich der Zustand früher als in den engeren, flussartigen Bereichen der Schlei, wo die stärkere Strömung eine bessere Sauerstoffversorgung sowie eine Erschwerung der Faulschlammablagerung bewirkte.
Bei einer Verbesserung des Zustandes der Schlei, insbesondere bei einem Rückgang der Faulschlammablagerungen, würden die Flächen der inneren Bereiche der Schlei relativ rasch neu besiedelt werden können. Heute kommt die Miesmuschel wieder bis Ulsnis vor (persönliches Gespräch mit Holmer Fischern) und die Herzmuschel und Sandklaffmuschel wieder in der Großen Breite auf sandig-schlickigem Untergrund in den Kammlaichkrautwiesen vor Weseby (Untersuchung des Autors 2015). Die Ausbreitung der Sandklaffmuschel ist heute sogar wieder bis zur Stexwiger Enge vorgerückt (Untersuchung des Autors 2017). Auch die weitverbreitete Unterwasservegetation der inneren Schlei, welche noch bis in die 1930er Jahre vorhanden war, erfordert eher sandiges Substrat (Hoffmann 1937, Sterr und Mierwald 1991). Der weit verbreitete Faulschlamm (Abb. 2) stellt daher einen sehr ungünstigen Untergrund dar.
2.3. Das Faulschlammproblem zusammenfassend graphisch dargestellt
Aus der Literatur wird deutlich, dass der Faulschlamm für den ökologischen Zustand der Schlei ein zentrales Problem darstellt. Dies wird in Abbildung 6 bildlich dargestellt: Die im Frühsommer abgestorbene und abgelagerte sowie der Faulschlamm führen zu Sauerstoffschwund, und zur Mobilisierung von Nährstoffen wie Phosphat und Ammonium aus der Faulschlamm-Oberfläche. Die Aufwirbelung von Faulschlamm durch Wind, Welle und am Grund nach Nahrung suchenden Fischen sowie der Phosphat-Verbrauch der Algen verursacht ebenfalls häufig eine Mobilisierung von Phosphat. Die Frühjahrsblüte sowie die durch interne Düngung entstandene sommerliche Blaualgenblüte führt zu geringen Sichttiefen. Die schlechten Lichtverhältnissen und die weit verbreiteten Faulschlammlager verhindern somit die Wiederbesiedlung des Schleigrundes mit einer ausgedehnten Unterwasservegetation. Die Blaualgenblüte unterdrückt anderes Phytoplankton, verarmt das Artenreichtum beim Zooplankton und verkürzt die Nahrungskette, was Einfluss auf den Fischbestand hat. Der Sauerstoffschwund an der Faulschlammoberfläche verhindert eine dauerhafte Wiederbesiedlung der tieferen Bereiche der Schlei mit Muscheln und anderer Fauna.
Es wird deutlich, dass die Rückführung der Schlei in einen guten ökologischen Zustand (vergleichbar mit dem Zustand des 19. Jahrhunderts), ohne eine Bearbeitung oder sogar eine Entnahme des Faulschlamms sehr wahrscheinlich nicht möglich ist.
Abbildung 6: Graphische Darstellung des Faulschlammproblems (vereinfacht mit den Hauptfaktoren). Zeichnung: S Duggen.
2.4. Problem Schwermetallbelastung
In der Schlei werden gelöste Schwermetalle durch chemische Prozesse rasch ausgefällt und im Faulschlamm festgelegt. Der Faulschlamm der Schlei ist somit prinzipiell eine Schwermetallsenke, obwohl einige Schwermetalle unter wechselnden Sauerstoffgehalten wieder mobilisiert werden können (Ripl 1986, Köhn 2001, Fossing 2005).
Schwermetalle sind in der Vergangenheit in unterschiedlichen Mengen aus verschiedenen Quellen eingetragen worden. Quellen sind mit dem Wind und durch Fließgewässer eingetragene Stäube und Partikel, Sportboote mit zinn- oder kupferhaltigen Anti-Fouling-Anstrichen, Wässer aus Siedlungsgebieten mit ihren Dächern und Rohren aus Blei, Kupfer oder Zink. Gewerbe wie Lederfabriken (z.B. auf der Freiheit) hatten erhebliche Mengen an Abwässern mit Chrom- und Bleiverbindungen ins Erdreich und in die Schlei eingetragen. Der erhöhte anthropogene Eintrag von Schwermetallen geht mit dem sprunghaften Anstieg der Sedimentationsraten und somit Faulschlammneubildung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einher (Neubaur 1931, Löwenstein 1985, Ripl 1986, Feibicke 2005), begann demnach vor etwa 130 Jahren.
Tabelle 1 zeigt die Durchschnittsgehalte verschiedener Schwermetalle in Vertikalprofilen von rund 25 Sedimentkernen aus dem Bereich der Schleswiger Bucht und der Kleinen Breite. Abbildung 5 zeigt exemplarisch eine Verteilungskarte für Blei in Sedimenttiefen bis zu 10 cm.
Tabelle 1: Schwermetallgehalte in faulschlammreichen Sedimenten der Schlei. Abgelesene Mittelwerte bis 25 cm Tiefe von rund 25 Sedimentkernen der innersten Schlei (Schleswiger Bucht und Kleine Breite) sowie im Langkern bis 100 cm Tiefe am Wikingturm in Schleswig (Löwenstein 1985, Ripl 1986) und Schwermetallgehalte in der Schlei (Köhn 2001, Tabelle 10) im Vergleich zu Grenzwerten für Faulschlamm aus Klärwerken gemäß Klärschlammverordnung (AbfKlärV) (http://www.gesetze-im-internet.de/abfkl_rv_1992/__4.html). Der Trockensubstanzgehalt der Sedimentproben der Schlei beträgt etwa 15-20 %.
Eine höhere Schwermetallbelastung ist demnach im innersten Bereich der Schlei vorhanden, wo die höchste Besiedlungsdichte vorkommt. Nahe der Einleitungsstellen, z.B. am Wikingturm, am Schleswiger Hafen und an der Freiheit werden die höchsten Schwermetallbelastungen erreicht. Allerdings werden in der Trockensubstanz der Sedimente im Mittel die Grenzwerte der untersuchten Schwermetalle gemäß Klärschlammverordnung (AbfKlärV) offenbar nicht überschritten.
Abbildung 5: Verteilung von Blei im Faulschlamm in 5-10 cm Tiefe (Anfang der 1980er Jahre) in Sedimenten der Schleswiger Bucht und der Kleinen Breite basierend auf Sedimentkernen von 26 Probennahmestellen (nachgezeichnet nach Ripl 1986). Im Gutachten von Ripl 1986 sind auch Verteilungskarten für Chrom, Cadmium, Kupfer und Zink für unterschiedliche Sedimenttiefen dargestellt. Zeichnung: S Duggen.
3. Mögliche Lösungen
Faulschlamm stellt nicht nur in der Schlei, sondern mittlerweile im gesamten Ostseeraum und ein großes Problem für Ökosysteme dar. Im Folgenden sollen mögliche Lösungen für die Schlei besprochen werden.
Für die Schlei sind bereits verschiedene Sanierungsmaßnahmen vorgeschlagen worden. Einige Maßnahmen, welche anderenorts für tiefere Küstengewässer oder Seen genutzt wurden, sind für die flache Schlei bisher wenig in Betracht gezogen worden, sollen aber der Vollständigkeit halber hier Erwähnung finden. Schließlich werden auch neue Lösungsansätze vorgeschlagen, welche meines Wissens in der Literatur zur Schlei bisher nicht in Erwägung gezogen worden sind.
Welche Maßnahmen am besten für die Schlei im Rahmen der finanziellen und politischen Möglichkeiten geeignet sind, wird Gegenstand von Diskussion und wissenschaftlichen Begutachtungen sein müssen. Soll in einem angemessen Zeitraum der Zustand der Schlei die Forderungen der Wasserrahmenrichtlinie erfüllen können, besteht allerdings äußerst dringender Handlungsbedarf.
3.1. Direkte und indirekte Beeinflussung der Faulschlammoberfläche
Es gibt mehrere Möglichkeiten in das in der Abbildung 6 dargestellte Faulschlammproblem einzugreifen. Bei einer Beeinflussung der Faulschlammoberfläche ginge es letztlich darum, die Mobilisierung von Phosphat, also die interne Düngung des Gewässers, zu vermeiden. Der Faulschlamm würde allerdings in der Schlei liegen bleiben, was die Wiederbesiedlung großer Flächen der Schlei (Abb. 2) mit weitverbreiteter Flora und Fauna erschweren würde.
Abdeckung des Faulschlamms
Eine Abdeckung des Sediments durch geeignetes Material kann das Entweichen von Phosphat und das Aufwirbeln von Faulschlamm effektiv unterbinden (Schauser 20043). Eine Abdeckung des Faulschlamms scheint bei der Gesamtfläche der Schlei und zeitweise rauhen Wind- und Strömungsverhältnissen für die Schlei schwierig umsetzbar.
Oxidation mit Sauerstoff
Die Mobilisierung von Phosphat aus dem Faulschlamm zu unterbinden kann dadurch erreicht werden, dass die Faulschlammoberfläche ganzjährig und vor allem im Sommer mit ausreichend Sauerstoff versorgt wird. In der kälteren Jahreszeit ist dies durch eine Reihe natürlicher Prozesse der Fall. Im Sommer müssten unterschiedliche Technologien zur Anwendung kommen.
In tieferen Gewässern, die typischerweise ausgeprägte Sprungschichten ausbilden, kann dies auf unterschiedliche Weise erfolgen. Hierbei wird Sauerstoff, Luft oder sauerstoffreiches Oberflächenwasser in die Tiefe unterhalb der Sprungschicht und ggf. direkt auf die Faulschlammoberfläche mittels Pumpen befördert. Umweltschonend können die Pumpen von Windrädern angetrieben werden (Björk 2014, Grüneberg et al. 2009, https://de.wikipedia.org/wiki/Seesanierung, http://www.inocean.no/box-windturbine).
Auf Grund der großen Fläche und geringen Gewässertiefe der inneren Schlei wäre diese Lösung schwieriger umzusetzen und würde wahrscheinlich eine Großzahl kleinerer Pumpen erfordern. Denkbar wäre eine Lösung mit einigen größeren Pumpen, die in Bereichen mit der höchsten Faulschlammmächtigkeit stationiert werden (siehe Abbildung 2), wahrscheinlich einschließlich der Auslegung von perforierten Leitungen bzw. Schläuchen auf der Faulschlammoberfläche. Die Flächen könnten auch mit Hilfe von einigen autonomen, wind- und solarenergiebetriebenen Belüftungsschiffen belüftet werden, welche sauerstoffreiches Oberflächenwasser auf den Faulschlamm pumpen. Diese Lösungen würden sehr wahrscheinlich die Schifffahrt auf der Schlei beeinträchtigen.
Diese Lösungen würden sehr wahrscheinlich die Schifffahrt auf der Schlei beeinträchtigen.
Oxidation mit Nitrat durch Denitrifikation (Nitrat aus Klärwässern oder Kalksalpeter)
Faulschlamm kann durch Oxidation mit Nitrat statt Sauerstoff zersetzt werden. Bei der Behandlung des Faulschlamms mit Nitrat würde das Eisen(III)oxidhydrid (FeOOH) im Faulschlamm stabilisiert werden und Phosphat an den Faulschlamm binden. Experimente im Labor und in abgegrenzten Becken der inneren Schlei in den 1980er Jahren belegen eine relativ hohe Effektivität dieser Methode (Ripl 1986, Feibicke 2005). Die Methode wurde als RIPLOX-Verfahren erfolgreich an einem kleineren See in Schweden angewendet (Björk 2014).
Für die Experimente wurde Calciumnitrat (chemische Formel: Ca(NO3)2 ) verwendet, welches als Kalk- oder Norgesalpeter als Düngemittel bekannt und zu relativ geringen Preisen in großen Mengen erhältlich ist (Ripl 1986). Das Calciumnitrat wurde im Rahmen eines Feldexperiments in der Schlei auf eine Versuchsfläche aufgebracht und eingeharkt. Dies kann mit Hilfe des Feststoffs oder einer Lösung geschehen. Während das aus dem Calciumnitrat freigesetzte Nitrat organische Substanz im Faulschlamm oxidiert, würden freigesetzte Calciumionen (Ca2+) dazu beitragen, Phosphat als sehr schwer lösliches Calciumphosphat im Faulschlamm zu binden.
Als Sanierungsmaßnahme wurde außerdem für die innere Schlei die Aufbringung nitrathaltiger Klärwässer aus dem Klärwerk Schleswig auf den Faulschlamm vorgeschlagen (Ripl 1986). Im vorgelegten Konzept sollten Stickstoffverbindungen in den gereinigten Klärwässern zu Nitrat oxidiert und Phosphat entfernt werden. Die phosphatarmen aber nitrathaltigen Abwässer hätten dann über Düker direkt auf die Flächen mit hoher Faulschlammmächtigkeit geleitet werden können. Dort würde das Nitrat zu Stickstoff umgewandelt (Denitrifikation) und dabei Faulschlamm zersetzen.
Dieses Sanierungskonzept wurde nie verwirklicht. Eine gewollte Einleitung größerer Mengen des Nährstoffes Nitrat in die Schlei stand nicht im Einklang mit den politischen Bemühungen, den Eintrag von Nährstoffen in Gewässer zu senken. Da Algen für ihr Wachstum sowohl Stickstoffverbindungen als auch Phosphat in einem bestimmten Verhältnis benötigen (Minimumgesetz), wäre bei erhöhtem Eintrag von Nitrat eine Algenblüte vermeidbar, wenn der Gehalt von Phosphat im Gewässer kontrolliert sehr niedrig gehalten würde. Das Sanierungskonzept sah dies durch unterschiedliche Strategien (Entphosphatisierung von Klärwerkswässern, Rückhaltebecken im Mündungsbereich der Füsinger Au) vor (Ripl 1986).
Im Jahre 1998 wurde das Klärwerk Schleswig mit einer Denitrifikationsstufe erweitert. Seitdem wird das im Klärwerk gebildete Nitrat zum Abbau des dort anfallenden Faulschlamms genutzt (Feibicke 2005).
Bindung des Phosphats an die Faulschlammoberfläche
Phosphat (PO43-) bildet mit verschiedenen Metallionen schwer lösliche Verbindungen. Dies sind beispielsweise einige Phosphate des Calciums (z.B. CaHPO4, Ca3(PO4)2, Ca5(PO4)3(OH, Cl, F)), des Eisens in dreiwertiger Form (z.B. FePO4) und des Aluminiums (AlPO4). Es wäre denkbar, durch jährliches zeitiges Aufbringen geeigneter Salze auf die Faulschlammoberfläche (z.B. während des Absterbens der Frühjahrsblüte), die Bildung von schwerlöslichen Phosphaten zu fördern und somit die sommerliche Mobilisierung von Phosphat in die Wassersäule zu verringern.
Im Grunde wurde dieser Ansatz durch die Aufbringung von Calciumnitrat bereits im Rahmen von Feldexperimenten in der inneren Schlei untersucht. Dabei kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität in den Versuchsbecken (Ripl 1986). Aus dem löslichen Calciumnitrat werden sowohl Calciumionen als auch Nitrat freigesetzt. Die Verbesserung kann einerseits durch den Eintrag von Nitrat in die Faulschlammoberfläche verursacht worden sein, was zur Oxidation und Stabilisierung des Phosphat bindenden FeOOH führte. Andererseits kann der Eintrag von Calciumionen und die Bindung des Phosphats in schwer löslichen Calciumphosphaten wesentlich zur Verringerung der Phosphatmobilisierung und daraus erfolgenden Verbesserung der Wasserqualität beigetragen haben.
Wenn eine Bindung von Phosphat mit Hilfe von Calciumionen erwünscht wäre, aber ein Nährstoffeintrag durch Calciumnitrat vermieden werden soll, böte sich möglicherweise als Alternative die Einbringung von löslichem Calciumchlorid (CaCl2) in die Faulschlammoberfläche an.
Die Phosphatfällung mit Calciumionen würde allerdings mit der Fällung von Calciumionen als Calciumcarbonat konkurrieren, welches unter alkalischen Bedingungen ähnlich schwer löslich ist wie die schwer löslichen Calciumphosphate. Die Bildung von Calciumcarbonat wird in der Schlei auf Grund der alkalischen pH-Werte (etwa pH 8 bis 9) begünstigt, die wiederum auf die Algenblüten zurückzuführen sind (Köhn 2001). Ein Überschuss an Calciumionen in der Faulschlammoberfläche könnte diesen Effekt jedoch ausgleichen.
Neuere Methoden nutzen Erdalkaliperoxide, z.B. CaO2, im Gemisch mit anderen Ca-Salzen (Willuweit et al. 1999). Bei diesem relativ rasch wirkenden Verfahren wird der Faulschlamm durch die Sauerstofffreisetzung aus dem Peroxid oxidiert und abgebaut und das Phosphat wahrscheinlich als sehr schwer lösliches und stabiles Hydroxylapatit, Ca5(PO4)3(OH), festgelegt. Bei diesem Verfahren wird im Gegensatz zum RIPLOX-Verfahren kein Nährstoff wie Nitrat ins Gewässer eingetragen. Das Calciumperoxid löst sich über einen Zeitraum von etwa acht Wochen auf und kann die Phosphatgehalte im Gewässer sehr effektiv verringern. Neben dem Faulschlammabbau ließe sich mit Hilfe dieser Methode der sommerliche Sauerstoffschwund an der Faulschlammoberfläche und die Phosphatmobilisierung aus dem Faulschlamm sehr wahrscheinlich erheblich eindämmen. Als Folge dessen würde die Massenvermehrung der Cyanobakterien stark verringert und die Sichttiefe verbessert werden können. Eine Anfrage beim Hersteller ergibt, dass für die Schleswiger Bucht und Kleine Breite in der Größenordnung 150 Tonnen und für die Große Breite zusätzlich rund 220 Tonnen benötigt werden würden. Da die Methode relativ preisgünstig zu sein scheint, kann in Betracht gezogen werden, diese Methode hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der inneren Schlei zu testen. Eine solche Untersuchung ließe sich in einer abgegrenzten Versuchsfläche ähnlich der Feldversuche von Ripl 1986 verwirklichen.
Verringerung der Sulphatreduktion
Der Salzgehalt in der inneren Schlei liegt durch einströmendes Ostseewasser bei etwa 4-10 ‰. Meerwasser enthält Sulphat, welches im Faulschlamm mit Hilfe von sulphatreduzierenden Bakterien zu Schwefelwasserstoff (H2S) umgesetzt wird. H2S destabilisiert die im Faulschlamm enthaltene Eisen(III)-Verbindungen und trägt damit zur Mobilisierung von Phosphat in die Wassersäule bei (Ripl 1986, Fossing 2002). Basierend auf Modellrechnungen spielt dieser Effekt in der Schlei eine erhebliche Rolle (Ripl 1986).
Als Teil des Sanierungskonzeptes für die Schlei wurde daher vorgeschlagen, den Einstrom von Ostseewasser in die innere Schlei zu verringern. Dies hätte durch den Einbau einer Unterwasserschwelle, z.B. in der Missunder Enge erreicht werden können (Ripl 1986). Hierbei gilt zu bedenken, dass der Einstrom von Ostseewasser in anderer Hinsicht für den ökologischen Zustand der Schlei förderlich ist.
3.2. Entnahme von Faulschlamm und Nutzung als Rohstoff
Eine Entfernung des Faulschlamms aus dem biogeochemischen Kreislauf der Schlei wäre eine sehr wahrscheinlich eine effektive Vorgehensweise, um das Faulschlamm-Problem der Schlei zu lösen. Am Trummen See in Schweden hat die Entnahme von etwa 600.000 m3 Faulschlamm über zwei Sommer hinweg sofortige und nachhaltige positive Wirkung für das Ökosystem gehabt (Björk 2014). Mit dieser Strategie, kombiniert mit einer raschen Reduzierung der externen Nährstoffeinträge, ist es denkbar, dass die Schlei innerhalb von 10-20 Jahren in einen guten oder sogar sehr ökologischen Zustand zurück geführt werden kann.
Nach der Entnahme des Faulschlamms bieten sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen an: 1) die Deponierung ohne weitere Nutzung und 2) die Nutzung als Rohstoff.
3.2.1. Deponierung von Faulschlamm – Überführung in land- oder seewärtige Becken
Der Abbau von Faulschlamm durch Luftsauerstoff wäre auch in land- oder seewärtigen Becken möglich. Hierzu müsste der Faulschlamm der Schlei aufgenommen und in Becken angemessener Größe überführt werden. Die notwendige Größe solcher Becken lässt sich aus der Faulschlammmenge der Schlei ableiten. Die durchschnittliche Dichte des Faulschlamms in der Schlei liegt in den oberen 25 cm bei 1,1 bis 1,2 g/cm3 (bzw. Tonnen/m3) und nimmt mit der Tiefe leicht zu (Ripl 1986). Demnach nimmt eine Tonne Faulschlamm etwa 0,8 bis 0,9 m3 Raum ein. Eine Million Tonnen Faulschlamm würden somit etwa 0,8 bis 0,9 Mio. m3 füllen.
Ein Becken mit den Außenmaßen 500 m x 500 m und einer Tiefe von 4 Metern würde 1 Mio. m3 aufnehmen können. Für den gesamten Faulschlamm der inneren Schlei wären demnach etwa vier solcher Becken erforderlich. Diese könnten an Land oder seewärtig errichtet werden. An Land stünden ggf. die Becken der alten Zuckerfabrik bei Schleswig zur Verfügung, die vormals den Schlamm der Zuckerrübenverarbeitung aufnehmen sollten. Seewärtig in der Schlei, z.B. in der Kleinen oder Großen Breite, würden derartige Becken wahrscheinlich über die Hochwasserlinie hinausreichen müssen. Daraus könnten Lagunen ähnliche Biotope mit Flachwasserbereichen und flachen kleineren Inseln entstehen, welche die Grundlage für Flora und Fauna und ein reiches Vogelleben bilden könnten. Außen umgeben mit großen Steinen (z.B. Betonklötzen) würde um ein Becken herum ein Steinriff entstehen, welches Lebensgrundlage für Fische, Muscheln und Makroalgen etc. bilden könnten. Es ist allerdings ungeklärt, wie effektiv eine Mobilisierung von Nährstoffen und Schadstoffen aus dem Faulschlamm in solchen Becken verhindert werden kann.
3.2.2. Nutzung von Faulschlamm als Rohstoff
Die Nutzungsmöglichkeiten von Faulschlamm (Sapropel, Gyttja) oder seiner Bestandteile sind vielfältig: Zur Energiegewinnung als Primär- oder Sekundärbrennstoff, zur Herstellung von umweltfreundlichen Baustoffen, als Dünger und zur Bodenverbesserung in der Landwirtschaft, als qualitätsverbessernde Zuschläge in der Töpferwaren- und Ziegelherstellung, als förderlicher Futterzusatz in der Viehwirtschaft, in Heilbädern, in der Human- und Tiermedizin und für kosmetische Anwendungen. Die Nutzung ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Faulschlamms (Stankevica et al. 2012, Obuka et al. 2015, http://www.sapropel.org/en/sapropel-application/).
Nutzung zur Energiegewinnung
Weltweit kommen große Mengen Faulschlamm vor und man hat begonnen diesen als Ressource zu betrachten. Auch der Faulschlamm der Schlei kann als Rohstoff angesehen werden.
Ein Großteil der Faulschlämme von Klärwerken werden als Sekundärbrennstoffe in Kraft- und Zementwerken verbrannt (http://www.bmub.bund.de/themen/wasser-abfall-boden/abfallwirtschaft/abfallarten-abfallstroeme/klaerschlamm/). Wissenschaftliche Studien zeigen, dass aus Faulschlamm mit einem hohen Anteil an organischem Material zusammen mit Stroh, Torf oder Sägemehl bzw. -späne Brikettes gepresst werden können, welche nach Trocknung als Heizmaterial verwendet werden können (Kozlovska u.a. 2012). Empfohlen werden hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften und des Brennwertes Mischungen von Faulschlamm mit Stroh oder Sägespäne im Mischungsverhältnis von etwa 1:1. Der erste Brikett aus Schlei-Faulschlamm und Holzspäne ist in Abbildung 7a zu sehen.
Der Brennwert (Heizwert) von getrocknetem Faulschlamm in der Studie von Kozlovska et al. liegt bei etwa 20 MJ/kg. Holzarten wie Birke, Buche, Eiche, Esche und Kiefer haben Brennwerte von etwa 15 MJ/kg, Holzbriketts etwa 18 MJ/kg (~5 kWh), Heizöl etwa 43 MJ/kg und Kohle etwa 28-35 MJ/kg (Kozlovska et. al. 2012, https://de.wikipedia.org/wiki/Brennholz#Heizwert).
Abbildung 7a: Aus Faulschlamm der Schlei und Sägespäne gepresster Brikette. Auf Grund des hohen Mineralgehaltes glüht dieser allerdings im Ofen eher durch als eigenständig zu brennen. Photo: Karl Walther.
Erste Analysen von Faulschlamm in der inneren Schlei ergeben einen niedrigen bis moderaten Anteil von organischem Material (ca. 9-22 % in der Trockenmasse bzw. etwa 4-5 % im nassen Faulschlamm) mit einem Brennwert von etwa 2,2 bis 5,5 MJ/kg in der Trockenmasse. Im Labor konnte durch Zentrifugieren der Gehalt an organischem Material in einer Teilprobe auf 35 % angereichert werden. Die wenigen Proben zeigen bereits einen linearen Zusammenhang zwischen Glühverlust und Brennwert (Abb. 7b). Durch weitere Daten sollte dieser Zusammenhang gern bestätigt werden. Dann wäre es möglich durch einfache und kostengünstige Bestimmung des Glühverlustes den Brennwert des Faulschlamms der Schlei zu ermitteln.
Gemäß der Ergebnisse von Ripl (1986) sind die Glühverluste und somit der Gehalt von organischem Material in den obersten 10 cm des Faulschlamms in der Kleinen Breite am höchsten. Die Glühverluste liegen großflächig um 20-25 %, örtlich über 30 %. Dies entspräche gemäß Abb. 7b Brennwerten von 4-7 MJ/kg.
Die gesamte Variation des Glühverlustes und der Brennwerte des Faulschlamm in der Schlei ist leider nicht bekannt und muss noch untersucht werden. Es ist denkbar, dass örtlich, z.B. in stark mit Faulschlamm verfüllten Senken oder in den Nooren, durch die Beimischung organischen Materials wie Schilf- und Blattresten deutlich höhere Brennwerte vorgefunden wird.
Abbildung 7b: Zusammenhang zwischen Glühverlust und Brennwert von Faulschlamm aus der Kleinen Breite in der Schlei. Unveröffentlichte Daten.
Bei niedrigem Brennwert ist eine direkte Nutzung als Primärbrennstoff weniger sinnvoll. Als Sekundärbrennstoff könnte der Faulschlamm der Schlei mit seinem Anteil von Tonmineralien und Kalzit allerdings Interesse finden, z.B. in der Mörtel- oder Zementherstellung. Aus den soeben angegebenen Werten lässt sich aber auch ableiten, dass der reine organische Anteil, sofern er separiert würde, einen Brennwert von etwa 20 MJ/kg haben würde. Dieses Material wäre wiederum sehr gut als Brennstoff geeignet. Ein effektives Separierungsverfahren, z.B. mit Hilfe von Industriezentrifugen, könnte für die Gewinnung des organischen Anteils notwendig werden.
Als weitere Schritte für die Abschätzung der Nutzbarkeit des Faulschlamms in der Schlei ist es erforderlich, eine bessere Datengrundlage für die Variation der chemischen Zusammensetzung zu erhalten. Begleitend sollten Wirtschaftlichkeitsanalysen für geeignete Konzepte durchgeführt werden, um abzuschätzen, ob die Nutzung des Faulschlamms als Rohstoff die Kosten der Entnahme teilweise oder gänzlich ausgleichen könnten.
Nutzung als umweltfreundliches Baumaterial
Faulschlamm kann zu einem umweltfreundlichem Baustoff verarbeitet werden (Obuka et al. 2015). Dazu wird der Faulschlamm mit Holzfasern, Holzstaub oder Hanffaser vermischt und zu Platten gepresst. Gelegentlich werden bindende Additive wie pyrogene Kieselsäure (z.B. Aerosil) hinzugegeben, um eine geschmeidigere Konsistenz zu erreichen. Das aus Naturstoffen hergestellte Material wird auch als Sapropel-Beton bezeichnet. Dieser hat in luftgetrockneter Form eine relativ geringe Dichte von rund 150-350 kg/m3 (= 0,15-0,35 g/cm3).
Dadurch entsteht ein leichtes Material mit relativ geringer Wärmeleitfähigkeit von etwa 0,055 bis 0,080 W/m•K. Diese Werte liegen in der gleichen Größenordnung wie Vermiculitgranulat (0,065 W/m•K) und etwas höher als die Wärmeleitfähigkeit von Glaswolle (0,040 W/m•K), Leichtbeton (0,010-0,030 W/m•K), Steinwolle (0,045 W/m•K) und Styropor (0,030 W/m•K) (http://www.engineeringtoolbox.com/thermal-conductivity-d_429.html). Sapropel-Beton kann daher als aus Naturstoffen und daher umweltfreundliches Isolierungsmaterial beim Bau von Gebäuden Verwendung finden.
Versuche zur Herstellung von umweltfreundlichen Baumaterial mit Faulschlamm aus der Schlei sind bisher nicht durchgeführt worden. Der Marktwert eines solchen Materials ist bisher nicht abgeschätzt worden.
Nutzung für den Deichbau
Durch den Anstieg des Meeresspiegels wird in den kommenden Jahrzehnten eine Erhöhung bzw. Neuanlage von Deichen erforderlich werden. Der Faulschlamm der Schlei hat einen hohen Anteil an Sand, was bei Entwässerung bzw. Trocknung deutlich wird. Bei niedrigem Wassergehalt bricht die kolloidale Struktur des Faulschlamms zusammen und übrig bleibt ein sandiges Material mit variablem Anteil an organischem Material. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll zu untersuchen, ob der Faulschlamm der Schlei für den Deichbau geeignet ist.
Nutzung als Dünger
Faulschlamm enthält Nährstoffe. Faulschlämme aus Klärwerken werden wegen ihres Gehaltes an Stickstoff- und Phosphorverbindungen als Dünger in der Landwirtschaft verwendet. Dies erfordert eine strenge Kontrolle der Inhaltsstoffe und der Aufbringung gemäß Klärschlammverordnung (AbfKlärV), um die Belastung mit anorganischen und organischen Schadstoffen zu begrenzen (http://www.bmub.bund.de/themen/wasser-abfall-boden/abfallwirtschaft/abfallarten-abfallstroeme/klaerschlamm/). Dabei gelten zahlreiche Einschränkungen in Abhängigkeit von der Art des Bodens, seines pH-Wertes und der Vorbelastung mit Schwermetallen. Außerdem sind Grenzwerte für die Schwermetallgehalte des Faulschlamms festgelegt worden.
Diese sind in Tabelle 1 zusammen mit den Schwermetallgehalten des Faulschlamms der Schlei eingetragen einzusehen. Die Aufbringung von Faulschlamm auf landwirtschaftliche (und auch gärtnerisch genutzte) Böden ist verboten, wenn der Gehalt mindestens eines der Schwermetalle den jeweiligen Grenzwert überschreitet. Basierend auf den in Tabelle 1 eingetragenen Daten liegen die Schwermetall-Gehalte der Faulschlämme der Schlei unterhalb der Grenzwerte. Dies weist darauf hin, dass die Nutzung des Faulschlamms der Schlei als Dünger Verwendung finden könnte. Allerdings wären weitergehende Untersuchungen notwendig, um sämtliche Schadstoffe, sowohl anorganische als auch organische, zu erfassen. Es müsste außerdem geklärt werden, ob der Salzgehalt des Schlei-Faulschlamms auf Böden ein Problem darstellen könnte.
Vor dem Hintergrund knapper werdender Phosphor-Lagerstätten (https://de.wikipedia.org/wiki/Peak_Phosphor) würde die Anwendung von Faulschlamm als Phosphor-Dünger oder die Rückgewinnung von Phosphor aus Faulschlamm in naher Zukunft möglicherweise eine zunehmende Bedeutung finden können. Im Mittel enthält der Faulschlamm der Schlei etwa 0,2 mg/L P (Sedimentnassvolumen) (Ripl 1986). Dies entspricht bei einer mittleren Dicht von 1,15 Tonnen/m3 gerundet etwa 0,2 kg P pro Tonne. In Abschnitt 1.2. (siehe oben) wurde abgeschätzt, dass in der inneren Schlei zwischen Schleswig und Missunde derzeit etwa 4,5 Millionen Tonnen Faulschlamm vorkommen. In der Annahme, dass 2/3 entnommen und genutzt werden können, errechnet sich in der Größenordnung von 900.000 kg bzw. 900 Tonnen Phosphor für die innere Schlei und in der gesamten Schlei entsprechend mehr.
Die direkte Aufbringung von Faulschlamm als Phosphor-Dünger ist wahrscheinlich unmittelbar die kostengünstigste Lösung. Dabei würde allerdings die Möglichkeit der Nutzung als Energieressource verloren gehen. Außerdem geht damit eine zusätzliche Belastung von Agrarflächen mit Schwermetallen und anderen Schadstoffen einher. Laut dem Bericht zur Phosphor-Rückgewinnungsstrategie des Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2012) kann aus entwässertem Klärwerks-Faulschlamm rund 70 % des Phosphors und aus Faulschlamm-Asche rund 80 % des Phosphors zurück gewonnen werden. Für die innere Schlei entspräche dies umgerechnet rund 630 bis 720 Tonnen Phosphor. In einer neu erbauten Anlage entziehen die Berliner Wasserbetriebe dem Klärschlamm Phosphor (http://green.wiwo.de/wertvolles-abwasser-berliner-gewinnen-duenger-im-klaerwerk/). Der übrig gebliebene Schlamm lässt sich nach dem Phosphor-Entzug besser trocknen. Möglich wäre auch ein Entzug des Phosphors aus der Asche nach der Verbrennung im Rahmen einer Energieerzeugung.
Durch knapper werdende Ressourcen unterliegt der Preis für Rohphosphat seit etwa zehn Jahren erheblichen Schwankungen und variierte zwischen 55 und 310 €/Tonne. Im November 2015 lag er bei rund 100 €/Tonne (http://www.indexmundi.com). Rohphosphat hat einen Standardphosphorgehalt von etwa 25 % (www.helmag.com/de/). Der Preis pro Tonne P variierte umgerechnet etwa zwischen 200 € und 1.200 €/Tonne. Aus dem Faulschlamm der inneren Schlei könnte somit möglicherweise Phosphor in einem Marktwert in der Größenordnung 125.000 € bis 865.000 € gewonnen werden. Dem gegenüber stünden die Kosten für die Gewinnung von 3.000 € und 12.000 € pro Tonne, je nach Verfahren (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2012)). Die Ermittlung der tatsächlichen Kosten der Phosphor-Rückgewinnung aus Faulschlamm aus der Schlei würde sehr wahrscheinlich eine Versuchsanlage erfordern. Eine erste Abschätzung könnten die Erfahrungswerte der Anlage der Berliner Wasserbetriebe erlauben.
Extraktion von Schwermetallen
Bei steigenden Metallpreisen könnte die Gewinnung von Metallen aus Faulschlamm ebenfalls zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Aus der Asche und Verbrennungsgasen des verbrannten Faulschlamms ließen sich auch Schwermetallverbindungen wie Blei, Kupfer, Cadmium und Zink zurück gewinnen. Pro Tonne trockenen Faulschlamm sind etwa 50 g Blei, 1,2 g Cadmium, 75 g Chrom, 25 kg Eisen, 40 g Kupfer, 1 kg Mangan, 25 g Nickel und 250 g Zink enthalten (Tabelle 1 und Ripl 1986). In der Annahme, dass von den geschätzt 4,5 Mio. Tonnen Faulschlamm der inneren Schlei etwa 3 Mio. Tonnen entnommen und genutzt werden können, ergäben sich bei einem Wassergehalt von rund 80 % etwa 0,6 Mio. Tonnen Trockensubstanz mit einer Gesamtmasse von etwa 30 Tonnen Blei, 0,72 Tonnen Cadmium, 45 Tonnen Chrom, 15.000 Tonnen Eisen, 24 Tonnen Kupfer, 600 Tonnen Mangan, 15 Tonnen Nickel und 150 Tonnen Zink.
Die Metallpreise variierten in den letzten Jahren je Tonne Metall bei etwa 1.400-1.900 € für Blei, 1.000-4.000 € für Cadmium, 4.800-5.600 € für Chrom, 40-130 € für Eisen, 4.700-7.200 € für Kupfer, 2.500-4.000 € für Mangan, 9.000-20.000 für Nickel, 1.400-2.000 € für Zink (www.indexmundi.com, www.boerse-online.de/rohstoffe, www.metalprices.com).
Im Faulschlamm der inneren Schlei könnten daher Metallwerte in der Größenordnung von 2,8 bis 5,4 Millionen Euro enthalten sein. Demgegenüber stünden die Kosten für die Gewinnung. Denkbar wäre eine elektrolytische Gewinnung der Edelmetalle vor Ort (z.B. mit überschüssigem Strom aus Windkraftanlagen) oder ein Weiterverkauf des Rückstande an die chemische Schwermetallindustrie.
Entnahme des Faulschlamms und Separierung des organischen Anteils
Derzeit werden Möglichkeiten für eine umweltverträgliche Entnahme des Faulschlamms aus der Schlei diskutiert. Eine vielversprechendes Konzept sieht vor, mit Hilfe einer Schiffsbaueinheit (außenbords mit einem mehrere Meter breiten Trichter mit zwei innenliegenden Förderspiralen (Dickstoffpumpensystem) den Faulschlamm verwirbelungsfrei mit minimalen Mengen Beimischung von Schleiwasser aufzunehmen. Diese sollte, wie in der Literatur empfohlen, möglichst präzise arbeiten können (Björk 2014), z.B. mit einer Genauigkeit von 5 Zentimetern.
Der Faulschlamm würde sogleich auf einen benachbarten Ponton gefördert werden, auf dem Industriezentrifugen montiert wären. Diese erste würde das Porenwasser entfernen, welches einer nachgeschalteten Anlage zur Phosphatfällung zugeführt würde. Der Feststoff würde, mit recyceltem Prozesswasser zu passender Konsistenz vermischt, in eine weitere Industriezentrifuge eingeleitet, welche den organischen Anteil vom mineralischen Anteil trennt.
Der organische Anteil, der in der Schlei die ökologischen Probleme wir Sauerstoffschwund und Phosphatmobilisierung verursacht, würde entwässert zur Energieerzeugung abtransportiert werden. Der mineralische Anteil, der nur sehr geringen oder praktisch keinen Einfluss auf den Sauerstoffhaushalt der Schlei nimmt, würde sogleich direkt und verwirbelungsarm auf den Grund der Schlei (z.B. mit Schleppschläuchen) zurückgelegt werden. Das gereinigte Porenwasser kann dann der Anlage als Prozesswasser wieder zugeführt bzw. in die Schlei zurückgeleitet werden. Das gefällte Phosphat der Phosphatfällungsanlage kann entnommen und als Dünger verwendet werden.
Auf diese Weise würden in einem kontinuierlichen Prozess im Idealfall der problematische organische Anteil und das Phosphat des Porenwassers vom mineralischen Anteil getrennt und der Schlei entnommen werden. Diese Verfahren würde effektiv und nachhaltig in den Phosphathaushalt zu Gunsten des ökologischen Zustandes der Schlei eingreifen können.
Die Verarbeitungsmengen eines solchen Verfahrens werden derzeit auf bis zu rund 5.000 Tonnen pro Werktag geschätzt. Bei dieser Rate könnte der Faulschlamm der inneren Schlei innerhalb von etwa 5 Jahren und der gesamten Schlei innerhalb von etwa 10 Jahren verarbeitet und vom organischen Anteil weitestgehend gereinigt werden. Diese Zeitspannen liegen in etwa innerhalb des Zeitraumes für die Erreichung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Erforderlich ist, die Leistungsfähigkeit des Verfahrens besser abschätzen zu können. Die technischen Komponenten sind für sich genommen bekannt und erprobt. Ungeklärt ist derzeit wie effektiv das kontinuierliche Verfahren für den Faulschlamm der Schlei ist; wie effektiv das organische Material vom mineralischen Anteil getrennt wird, wie hoch die Beimischungen von Tonmineralen in der organischen Fraktion sind, wie vollständig die Phosphatfällung aus dem Porenwasser ist.
Es muss auch geklärt werden, welchen Weg die anorganischen und organischen Schadstoffe nehmen. Auf Grund der chemischen Eigenschaften des organischen Materials ist es denkbar, dass der größte Teil der Schadstoffe in der organischen Fraktion angereichert ist. Allerdings könnte ein Teil der Schadstoffe nach der Trennung auch in der Phosphatfällung oder im mineralischen Anteil vorzufinden sein. Dies wird maßgeblich davon beeinflusst sein, ob in der Anlage reduzierende oder oxidierende Bedingungen vorliegen und wie Tonminerale mit ihren hohen adsorbierenden Oberflächen auf die Fraktionen verteilt sein werden. Wenn ein bedeutender Teil er Schadstoffe im mineralischen Anteil vorzufinden sind, ist zu klären, ob die Schadstoffe wie zuvor im Faulschlamm stark gebunden sind oder leicht mobilisiert werden können.
Chemische Untersuchungen und Experimente können hier Klarheit schaffen. Diese Daten würden nicht nur eine bessere ökologische Entscheidungsgrundlage schaffen, sondern wären auch für robuste Wirtschaftlichkeitsanalysen von zentraler Bedeutung. Voruntersuchungen werden derzeit vom SIEZ exemplarisch durchgeführt. Eine systematische Untersuchung der ganzen Schlei kann der Verein mit seinen wenigen Mitgliedern allerdings nicht leisten.
Nutzungsmodell 1: Verbrennung in Kraftwerken in der nahen Ostseeregion
Wenn der organische Anteil vom Faulschlamm abgetrennt würde könnte dieser der Energieerzeugung durch Verbrennung in Kraftwerken zugeführt werden. Bei einer relativ hohen Verarbeitungsmenge würde sich ein Transport des entwässerten organischen Materials zu Kraftwerken in der nahen Ostseeregion anbieten.
Da Faulschlamm bzw. der organische Anteil daraus den (partiell) erneuerbaren Energiequellen zugeordnet werden kann (Kozlovska et al. 2012, Stankevica et al. 2014), würde die Verbrennung des organischen Anteils in Faulschlamm zu einer Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe beitragen.
Bei Verarbeitungsmengen von etwa 5.000 Tonnen nassen Faulschlamms pro Tag würde bei einem Gehalt von rund 5 % täglich etwa 250 Tonnen organischen Materials anfallen. So könnte wöchentlich ein Transportschiff mit einer Kapazität von etwa 1.000-1.500 Tonnen die Schlei verlassen. Denkbar wäre ein Transport zu Kraftwerken in der nahegelegenen Ostseeregion, z.B. in Kiel, Flensburg oder Sønderborg.
Daher wäre zu untersuchen, nahe gelegene Kraftwerke den entwässerten organischen Anteils des Faulschlamm der Schlei als Primär- oder Sekundärbrennstoff nutzen könnten/würden. Ein Vorteil bestehender Kraftwerke wäre, dass die Infrastruktur für die Abgasreinigung und Aschebeseitigung vorhanden ist.
Nutzungsmodell 2: Eine Anlage zur Faulschlamm-Verarbeitung an der Schlei
Bei einer niedrigeren Verarbeitungsmenge könnte der Transport des entwässerten organischen Materials zu einem eigens erbauten Kraftwerk an der inneren sinnvoll werden.
Bei Verarbeitungsmengen von etwa 1.000-2.000 Tonnen nassen Faulschlamms pro Tag würde bei einem Gehalt von rund 5 % täglich etwa 50-100 Tonnen organischen Materials anfallen. Diese könnten täglich von der Entnahmeeinheit auf der Schlei herantransportiert und kontinuierlich in Strom und Wärme umgesetzt werden. Bei dieser Verarbeitungsrate würde das Kraftwerk rund 10-20 Jahre mit dem Faulschlamm der inneren Schlei und rund 20-40 Jahre mit dem Faulschlamm der gesamten Schlei versorgt werden können. Diese Zeitspanne entspricht in etwa der Lebensdauer eines Kraftwerks. Später könnte die Nutzung auf andere Materialien umgestellt werden.
Das Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik unmittelbar östlich von Schleswig könnte für die Platzierung eines Kraftwerks gut geeignet sein. Hier können Schiffseinheiten anlanden und weitere Gebäude zur Faulschlammverarbeitung Platz finden, z.B. zur Gewinnung von Metallen aus des Verbrennungsrückstandes, Gewinnung von Phosphat, Herstellung von umweltfreundlichen Baumaterialien. Durch die Nähe zur Kläranlage Schleswigs könnte bei Bedarf der Klärschlamm in der Verbrennung mit einbezogen werden.
Im SIEZ werden derzeit Voruntersuchungen und eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt.
3.3. Verringerung der Faulschlammneubildung
Für die Rückführung der Schlei in einen guten ökologischen Zustand muss außerdem die Faulschlammneubildung erheblich verringert werden. Eine jährliche Faulschlammneubildung von 60.000 Tonnen in der inneren Schlei auf einer Fläche von 19 km2 entspricht jährlich pro Quadratmeter etwa 3,1 kg neuen Faulschlamm. Alternativ errechnen sich mit einer Sedimentationsrate von 3-4 mm/Jahr und einer Dichte von 1,1 g/cm3 rund 3,3 bis 4,4 kg neuer Faulschlamm pro Quadratmeter. Mit dieser Größenordnung ist die innere Schlei offensichtlich übermäßig belastet.
Verringerung der Algenmassenvermehrung
Die Massenvermehrung von Algen, vor allem von Blaualgen, in der Schlei erhöht massiv die Faulschlammneubildung (siehe Abbildung 6). Hauptursache hierfür sind die hohen Nährstoffeinträge (Ripl 1986, LANU 2005, Ohlendieck 2009). Ein komplexes Wechselspiel von Nährstoffeintrag, Nährstoffrücklösung und Nährstoffverbrauch steuert dabei maßgeblich die Vermehrung unterschiedlicher Algen.
Die im Winter in der Schlei angesammelten Nährstoffe führen im Frühjahr zu einer ersten Massenvermehrung von hauptsächlich Grünalgen und Kieselalgen. Zum Übergang Frühjahr/Sommer sind die gelösten Nährstoffe durch Aufnahme in Biomasse (und auch durch die Denitrifikation des Nitrats) erschöpft und ein Großteil der Algen der Frühjahrsmassenvermehrung stirbt, etwa 50 % der Biomasse setzt sich auf dem Grund ab und trägt zur erneuten Faulschlammbildung bei (Ohlendieck 2009). Ein großer Teil dieses frischen Faulschlamms wird zersetzt, wodurch wiederum Nährstoffe freigesetzt werden und es zu Sauerstoffschwund an der Faulschlammoberfläche kommt. Dadurch wird zusätzlich Phosphat aus dem Faulschlamm mobilisiert. Das Überangebot des Nährstoffes Phosphat und ein Mangel an Nitrat fördert die Massenvermehrung von Blaualgen. Vor allem deren Absterben im Herbst trägt erheblich zur jährlichen Faulschlammneubildung bei.
Bei dem gegebenen hohen Phosphat-Nitrat-Verhältnis im Sommer haben die Blaualgen einen Konkurrenzvorteil gegenüber Grünalgen und Kieselalgen. Blaualgen können Stickstoff aus anderen Quellen als Nitrat nutzen, wie z.B. Ammonium oder Harnstoff (Ripl 1986, Ohlendieck 2009). Freilandversuche in mit Spundwänden erbauten Versuchsbecken in der Schlei in den 1980er Jahren zeigen, dass die Einbringung von Nitrat, z.B. als Calciumnitrat, auf die Faulschlammoberfläche das Phosphat-Nitrat-Verhältnis im Schleiwasser günstiger einstellt, wodurch Blaualgen durch Grünalgen und Kieselalgen zurückgedrängt werden. Dabei wird die Sichttiefe erhöht und eine bessere Grundlage für das gesamte Nahrungsnetz (Zooplankton, Fisch) geschaffen, was für das Ökosystem Schlei förderlich ist (Ripl 1986).
Durch die Vermeidung von Algenmassenvermehrungen würde die Faulschlammneubildung in der Schlei markant verringert werden. Dazu ist es erforderlich, ganzjährig die Nährstoffeinträge vor allem in die innere Schlei zu senken. Dies gilt für die winterlichen Nährstoffeinträge insgesamt, die Einträge von vor allem organischen Stickstoffverbindungen im Sommer sowie die Vermeidung der internen Düngung mit Ammonium und Phosphat als Folge des sommerlichen Sauerstoffschwunds.
Nährstoffeinträge in die Schlei – Kläranlagen – insbesondere die Kläranlage in Schleswig
Hauptquellen für Nährstoffeinträge in die innere Schlei sind derzeit die Kläranlage Schleswig und Fließgewässer wie die Füsinger Au (Ohlendieck 2009) (Abb. 8). Zusätzlich werden Nährstoffe über Niederschläge aus der Luft, undichte Abwasserleitungen, kleinere Kläranlagen, stark gedüngte Gartenflächen in Gewässernähe und die Sportschifffahrt eingetragen.
Die Kläranlage in Schleswig ist mit über 100.000 Einwohnergleichwerten (EW) die größte Kläranlage an der Schlei. Zugleich hat sie sich seit ihrer Inbetriebnahme im Jahre 1956 im Rahmen mehrerer mechanischer und (bio)chemischer Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen insbesondere in den letzten Jahrzehnten zu einer sehr leistungsfähigen Kläranlage entwickelt (siehe Zusammenfassungen in Feibicke 2005 und Ohlendieck 2009, http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/A/abwasser/kommAbwasserbeseitigung.html). Durch die Zuleitung von Abwässern aus angrenzenden Gemeinden mit weniger ausgerüsteten Kläranlagen wurde eine bessere Reinigungsleistung für Abwässer aus diesen Gemeinden und zugleich höhere Auslastung der Kapazität der Kläranlage Schleswig erreicht (LANU 2001).
Die Steigerung der Leistungsfähigkeit zur Phosphor- und Stickstoffeliminierung der Kläranlagen, vor allem der Kläranlage Schleswig, hat maßgeblich zu einer Verringerung der Nährstoffeinleitung in die Schlei und somit zur Reduzierung der Faulschlammneubildung in der inneren Schlei beigetragen. Dennoch verbleibt ein Restgehalt an Nährstoffen im Ablauf, wodurch jährlich etwa 0,5 Tonnen Phosphor und 23 Tonnen Stickstoff in organischer und anorganischer Form in die Kleine Breite der innersten Schlei eingeleitet wird (Ohlendieck 2009). Von den 23 Tonnen Stickstoff entfallen rund 17 Tonnen auf anorganische Stickstoffverbindungen wie Nitrat, Nitrit und Ammonium sowie etwa 5 Tonnen auf organische Stickstoffverbindungen wie Harnstoff und Aminosäuren (Ohlendieck 2009).
Obwohl der Gehalt an organischen Stickstoffverbindungen lediglich 25 % vom Gesamtstickstoff ausmacht, ist die Einleitung in der wärmeren Jahreszeit problematisch. Im Sommer, während der Vegetationsperiode und einem Zeitraum mit geringeren Niederschlägen, nehmen die externen Einträge von Nährstoffen über die Auen aus dem Einzugsgebiet der Schlei ab. Dadurch bekommen die Einleitungen insbesondere des organischen Stickstoffs und des Ammoniums aus den Kläranlagen mehr Bedeutung, verstärken den Konkurrenzvorteil der Blaualgen und somit die Faulschlammneubildung in der inneren Schlei (Meyerhöfer 1997, Ohlendieck 2009) (siehe Abschnitt „Verringerung der Blaualgenmassenvermehrung“ in diesem Kapitel).
Ohlendieck (2009) schlägt im Sanierungskonzept zur Schlei vor zu überprüfen, ob der Eintrag von Stickstoff aus der Kläranlage Schleswig weiter gesenkt werden kann. Dies gilt insbesondere für Ammonium und organische Stickstoffverbindungen während des Sommers. Weiterhin wird vorgeschlagen, alle kleineren Kläranlagen mit einer Nitrifizierungsstufe auszustatten, so dass weniger Ammonium in die Auen und die Schlei eingeleitet wird.
Abbildung 8: Eine Karte mit den kommunalen Kläranlagen und größeren Fließgewässern im Einzugsgebiet der Schlei (Lage und Größe der Klärwerke nach Ohlendieck (2009), Fließgewässer nach Ripl (1986), Einzugsgebiet der inneren Schlei mit der Füsinger/Loiter Au und der Hüttener Au nach Gocke et al. (2003)). Zeichnung: S Duggen.
Nährstoffeinträge in die Schlei – Die Auen, insbesondere die Füsinger/Loiter Au
Das Einzugsgebiet der Schlei zeichnet sich durch einen hohen Anteil recht schwerer Böden unter intensiver landwirtschaftlicher Nutzung mit umfangreicher Drainage und verrohrten Gewässern aus (LANU 2001, Ohlendieck 2009).
Für den Zeitraum 1999-2007 wurde der Nährstoffeintrag in die innere Schlei aus Fließgewässern abgeschätzt. Demnach werden jährlich hochgerechnet etwa 1.000 Tonnen Stickstoff und 20 Tonnen Phosphor in die innere Schlei eingetragen. Hauptbelastungsquelle für Stickstoff und Phosphor ist mit einem Anteil von über 75 % die Landwirtschaft (Ohlendieck 2009).
Durch die Füsinger Au, welche mit rund 243 km2 ungefähr 55 % des Einzugsgebietes der inneren Schlei entwässert, werden etwa 615 Tonnen Stickstoff und 12 Tonnen Phosphor in die innere Schlei eingetragen (Ohlendieck 2009). Der Eintrag schwankt mit der Jahreszeit und ist im Sommer während der Vegetationsperiode und bei geringeren Niederschlägen niedriger als in der kühleren Jahreszeit. Die Stickstofffracht aus der Füsinger Au besteht im Mündungsbereich zu etwa 85 % aus Nitrat, zu etwa 5 % aus anderem anorganischem Stickstoff wie Ammonium und Nitrit und zu etwa 10 % aus organischem Stickstoff wie Harnstoff.
Es wurden verschiedene Strategien vorgeschlagen, um die Nährstofffracht aus den Fließgewässern, vor allem aus der Füsinger Au, in die innere Schlei zu verringern (Ripl 1986, Sterr und Mierwald 1991, Ohlendieck 2009):
1) Schaffung und Ausweitung von gewässernahen Uferrandstreifen (Gewässerrandstreifen) und Retentionsbereichen. Durch extensive Grünlandnutzung oder Bewaldung wird der Nährstoffeintrag in Gewässernähe verringert und einfließende Nährstoffe landwärtig zurückgehalten und z.T. abgebaut (z.B. Stickstoffverbindungen durch Denitrifikation, Umsetzung organischer Stickstoffverbindungen wie Harnstoff, Aufnahme durch die Vegetation). Drainagerohre würden in diesen Bereichen entfernt und zwischen gewässernahen und intensiv genutzten Flächen könnten uferparallel Knicks errichtet werden. Dabei würde die intensive Nahrungsmittelproduktion auf höher gelegene Weide- und Ackerflächen verlagert werden. Auf diesen sollte ein nachhaltigerer Einsatz von Dünger angestrebt werden. Die gewässernahen Flächen würden für die Beweidung oder Gewinnung nachwachsender Rohstoffe genutzt werden können.
2) Schaffung von größeren Retentionsflächen im unteren Verlauf der Auen, vor allem der Füsinger Au. Vorgeschlagen wurde ein Phosphat-Sedimentationsbecken im Mündungsbereich der Füsinger Au. Das Sanierungskonzept von Ripl 1986 sah vor, in der Kleinen Breite unmittelbar vor dem Mündungsbereich der Füsinger Au eine Unterwasserschwelle anzulegen, wodurch an Partikel gebundenes Phosphat in der flachen Bucht vor Füsing abgelagert und Schlamm durch die gute Durchlüftung in dem flachen Becken abgebaut würde. Als Alternative wird in Betracht gezogen, eine weiträumige Niederung unmittelbar vor der Brücke der Kreisstraße vor Füsing in eine Retentionsfläche umzuwandeln. Dies könnte den Einbau einer Schwelle vor der Brücke der Kreisstraße und einen Rückbau des Deiches zwischen der Niederung und der Füsinger Au beinhalten. Das Wasser der Füsinger Au würde in die Niederung einströmen und Partikel und Nährstoffe durch die Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit abgesetzt und abgebaut bzw. von der Vegetation (z.B. Schilf) aufgenommen werden. Zugleich würde ein wertvolles Biotop mit entstehen. Ähnliche Maßnahmen sind für die anderen größeren Auen (z.B. Hüttener Au, Koseler Au) wünschenswert.
4. Schlussfolgerungen
Durch den Eintrag großer Mengen Nährstoffe aus Besiedlungsgebieten und landwirtschaftlichen Flächen haben sich in der Schlei innerhalb eines knappen Jahrhunderts mehrere Millionen Tonnen Faulschlamm gebildet. Die größten Mengen an Faulschlamm kommen in der inneren Schlei von Schleswig bis zur Missunder Enge vor. In der inneren Schlei bedeckt Faulschlamm etwa 60 % der Fläche, d.h. die tieferen Bereiche ab etwa 1,5-2 m Tiefe. Die Faulschlammneubildung war in den 1980er Jahren erheblich und mit durchschnittlich 3-4 mm, örtlich über 5 mm, entsprechend rund 60.000 Tonnen pro Jahr in der inneren Schlei am höchsten. Die heutige Neubildungsrate ist nicht bekannt, aber es ist denkbar, dass sie sich wegen der hohen winterlichen Nährstoffgehalte und insbesondere der sommerlichen internen Düngung nicht wesentlich verändert hat.
Der Faulschlamm hat einen sehr nachteiligen Einfluss auf den ökologischen Zustand der Schlei. Dies wird alljährlich durch sommerliche Algenblüten, vor allem Blaualgenblüten, niedrige Sichttiefen, monatelangem extremen Sauerstoffschwund an der Faulschlammoberfläche, das Fehlen einer weitverbreiteten Unterwasservegetation und dem Fehlen zahlreicher Pflanzen- und Tierarten und letztlich durch Einschränkungen der Wasser- und Badequalität sicht- und spürbar.
Es besteht das Potenzial, den ökologischen Zustand der Schlei innerhalb von 20 Jahren wesentlich zu verbessern. Die Strategie, die externen Nährstoffeinträge aus dem Einzugsgebiet der Schlei, d.h. aus Kläranlagen und landwirtschaftlichen Flächen, zu verringern ist ein sehr wichtiger Teil einer Gesamtstrategie, ist aber allein offenbar nicht ausreichend, um die Schlei wieder in einen ökologisch guten Zustand zurück zu führen. Daher sollten zusätzlich zeitnah Strategien entwickelt und möglichst umgesetzt werden, welche eine Bearbeitung von einigen Millionen Tonnen Faulschlamm beinhalten. Der geographische Schwerpunkt der Sanierung der Schlei sollte zunächst bei der inneren Schlei liegen, denn diese ist Nährstoffquelle für den mittleren und äußeren Bereich der Schlei.
Eine mögliche Strategie wäre, den Faulschlamm in der Schlei zu belassen und Faulschlammoberfläche mit unterschiedlichen Techniken zu Bearbeiten, so dass die Mobilisierung von Phosphat verringert würde. Eine andere Strategie wäre, den Faulschlamm aus der Schlei zu entfernen. Bei dieser Vorgehensweise besteht die Wahl, den Faulschlamm land- oder seewärtig in großen Becken zu deponieren oder stattdessen als Rohstoff zu betrachten und als solchen zu nutzen.
Es ist zu erwarten, dass Faulschlamm auf Grund der Verknappung von Ressourcen und steigenden Preisen als Rohstoff zunehmende Bedeutung finden wird. Faulschlamm könnte zur Gewinnung von Energie, Dünger und der Herstellung von umweltfreundlichem Baumaterial (z.B. Wärmedämmung) verarbeitet werden oder im Deichbau Verwendung finden. Dadurch könnten die Kosten für die Entnahme aus der Schlei teilweise oder im Idealfall gänzlich ausgeglichen werden.
Die Nutzung des Faulschlamms der Schlei als Rohstoff könnte maßgeblich dazu beitragen, die Schlei in einen guten ökologischen Zustand, wie von der EU-Wasserrahmenrichtlinie gefordert, zurück zu versetzen.
Um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu erhalten, sind entsprechende wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Untersuchungen erforderlich.
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6. Danksagung
Dank ist hier gerichtet an Fachleute und Laien, Kollegen und Schülern, Unternehmern sowie den Mitgliedern des SIEZ, die durch Unterstützung bei der Literatursuche und zahlreiche Diskussionen zur Weiterentwicklung des Konzepts beigetragen haben und weiterhin beitragen.
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