Last Updated on 21. April 2018
Im Überblick | Die Geschichte der Schleifischerei
von Flemming Schock, für hilfreiche Hinweise und Lektüren sei Lieselotte Wiese (Arnis) und Nicolaus Schmidt (Berlin/Arnis) gedankt.
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Schock F (2018) Im Überblick | Die Geschichte der Schleifischerei. Erstmals erschienen auf der Internetseite des Schleiinformations- und Erlebniszentrums, SIEZ. www.schleiinfozentrum.de im Januar 2018. Aktuelle Version vom 20. Feb. 2018.
Einleitung und Zusammenfassung
Der größte Wirtschaftsfaktor der Schlei ist heute der Tourismus. Obwohl ihre Naturschönheit schon im 18. Jahrhundert gerühmt wurde, war die Schlei noch bis ins 20. Jahrhundert in erster Linie eine wirtschaftliche Lebensader für die angrenzenden Landschaften: Handels-, Schifffahrts- und Fischereigeschichte sind hier seit mehr als tausend Jahren untrennbar verwoben. Schon unter den Wikingern nahm das am äußeren Ende der Schlei gelegene Haithabu eine Schlüsselposition im Nord- und Ostseehandel ein. Bereits in dieser Zeit dürfte auch der Hering seine Bedeutung als wichtigster ‚Brotfisch’ gewonnen haben: Archäologische Grabungen belegen, dass knapp die Hälfte des in Haithabu verzehrten Fisches vom Hering stammt. Allerdings kam der Fischerei an der Schlei in späteren Jahrhunderten keine größere existenzsichernde Rolle zu als etwa der Landwirtschaft und vor allem dem Handel über die Seefahrt: Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts dokumentierte etwa eine erste Volkszählung im damals noch jungen Flecken Maasholm lediglich 5 hauptberufliche Fischer, aber 56 Seefahrer. Der überwiegende Teil fischte noch nebenberuflich und nicht im vollen Umfang. Wenigstens teilweise war diese Verzögerung auch der komplizierten Rechtssituation der Schleifischerei geschuldet. Sie machte aus dem Fischfang an der Schlei eine Geschichte von Konflikt und Zerwürfnis, in der verschiedene Parteien die begehrten Fischereirechte für sich beanspruchten. Denn anders als in den meisten Küstengewässern gab es an der Schlei keinen freien Fischfang. Er war vielmehr ein Privileg. Ausgehend von Mittelalter, zogen sich die Auseinandersetzungen über Jahrhunderte hin, endgültig geklärt wurden sie erst in den 1990er Jahren. Der lange Streit zeigt sinnbildlich, dass Wasser nicht nur verbindet, sondern auch trennt. Ursprüngliche Gegner – in einer sich zunehmend verkomplizierenden Rechtslage – waren die Stadt Schleswig und die adeligen Grundeigentümer entlang der Schlei, die „Schleijunker“.
„Freie“ Fischerei | Umstrittenes Privileg der Schleswiger
Auf der Schlei wurde fraglos schon immer gefischt, wenn auch lange Zeit nur zur Deckung des eigenen Nahrungsbedarfs. Zum überregionalen Handelsgut wurde Fisch wahrscheinlich erst im hohen Mittelalter. Die kaum überlieferte und kaum regulierte Situation endete erst im späten 13. Jahrhundert mit dem Auftauchen erster fischereibezogener Schriftquellen: Schleswig, das nach dem Untergang von Haithabu dessen Rolle als Handelszentrum übernahm, wurde im Jahr 1280 zur Stadt erhoben. Maßgebliches Dokument war das im gleichen Jahr fixierte Stadtrecht. Es widmete sich auch der „Fischereigerechtsame“ auf der Schlei und sprach den Schleswiger Fischern – und nur diesen – das alleinige Recht auf eine „freie Fischerei“ noch über Schleimünde hinaus zu. Neben diesen Sonderrechten gab es jedoch auch Verpflichtungen: Schleswig war verantwortlich für die angemessene Betonnung des Fahrwassers, musste dessen ausreichende Tiefe sichern und selbst Lotsen stellen. Noch einmal festgeschrieben wurden die Sonderrechte der Holmer Fischer zweihundert Jahre später im „Schleibrief“ von 1480, verliehen vom dänischen König Christian I. (1426-1481). Hier heißt es: „Wir Christian (…) bekennen und bezeugen, daß die ehrsamen Bürgermeister, Ratsmannen, Innwohner und ihre ganze Gemeinschaft (…) begnadigt und privilegiert worden sind mit der Freiheit unseres Stromes und Wassers Schlei, daß sie ihn frei ungehindert zu ihren Fischereien, zu ihren Kauffahrten, Segelfahrten und Nahrungserwerb von der genannten Stadt Schleswig an zu beiden Seiten des Landes bis an das gemeine Meer und eine Seemeile über Schleimünde hinaus gebrauchen mögen ohne jegliche Hindernisse und Beschwernisse“.
Abbildung. Der große Ellenberger Fluthzaun. Quelle: Kartograph Johannes Mejer 1641.
Notwendig geworden war der 1480 erlassene „Schleibrief“ durch die Fischereipolitik der adeligen Grundeigentümer: Die sogenannten „Schleijunker“ stellten das Schleswiger Vorrecht aufs Schärfste in Frage – mit der gewohnheitsrechtlich begründeten Auffassung, dass angrenzende Gewässer wie Grundeigentum zu behandeln seien; und auch dementsprechend bewirtschaftet werden dürften. Tatsächlich hatte das ältere Stadtrecht noch eine freie Ufernutzung garantiert. Deutliches Symbol dieses Anspruchs auf Anliegerfischerei wurden die vielen Heringszäune vor allem an der unteren Schlei. Der „Schleibrief“ wies dies als Anmaßung kritisch zurück: „Und so etliche Leute und Anlieger sich erdreistet haben, unseren Strom und freies Wasser Schlei mit Hamenzäunen [Heringszäunen] und Pfählen zu verzäunen und zu verstellen, (…) so wollen wir dies nicht länger erdulden und gebieten persönlich, diese Hamenzäune und Pfähle gründlich herauszuziehen“. Ungeachtet dieser Verfügung ließen sich adelige (und auch geistliche) Grundeigentümer nicht vom Bau weiterer Zäune abhalten. Von obrigkeitlicher Seite wurde ihr Verhalten in späteren Jahrzehnten auch toleriert: 1565 sprach ein Urteil dem Adel schließlich das Recht auf den Besitz von Heringszäunen aufgrund „unvordenklicher Verjährung“ zu. Bis ins 17. Jahrhundert wurden rund 40 dieser Fangzäune errichtet, deren Anfänge mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen. Wie ein dichtes Netz durchzogen die Zäune die Schlei von der Insel Arnis bis Schleimünde – und kollidierten mit den Schleswiger Interessen nicht nur wegen des Eingriffs in die Fangerträge, sondern auch, weil die Masse der Zäune zur navigatorischen Herausforderung für die Frachtsegelei auf der an vielen Punkten engen Schlei wurde. Das Problem der erschwerten Schiffbarkeit blieb über Jahrhunderte präsent. Auch führte die strittige Lage der Zäune seit dem 16. wiederholt zu „Schleibesichtigungen“, infolge derer verschiedene Zäune rückgebaut werden mussten. Zusätzlich erließ Herzog Friedrich III. (1597-1649) von Schleswig-Holstein-Gottorf in einer Resolution von 1625 detaillierte Regelungen für das Setzen von Fahrwasserbegrenzungspfählen und die Einhaltung einer Fahrwasserbreite von mindestens 40 Faden (rund 70 Meter). Beendet waren die Streitigkeiten über die Zäune allerdings auch mit dieser Resolution nicht. Noch im frühen 19. Jahrhundert, als die Heringszäune schon allmählich von anderen Fangmethoden abgelöst wurden, klagte etwa eine geographisch-topographische Darstellung über Schleswig-Holstein: „Dicht vor der Insel Arnis verengt sich die Schlei, und die Insel sperret fast die Durchfahrt, welche die für die Schifffahrt so schädlichen Heringszäune noch schwieriger machen“.
Abbildung. Der Müggen Fluthzaun vor Arnis. Quelle: Kartograph Johannes Mejer 1641.
Neben dem Konflikt um die Lage der Zäune belegen gehäufte Beschwerden in Gottorf, dass sich die „Schleijunker“ – teils auch im Zwist untereinander – weiter in ihren Rechten geschmälert sahen und gegen die Stadt Schleswig und die Holmer Fischer prozessierten. Auch von rabiateren Methoden wird berichtet: Gutsbesitzer sollen sogar Fischer überfallen und ihrer Netze beraubt haben. Das vergiftete Klima veranlasste Friedrich III. mit Hilfe des Kartographen Johannes Mejer (1606-1674) zu einem weiteren Klärungsversuch: Mejer lieferte dem Herzog nach einer eingehenden Schleibesichtigung in über 40 Karten (dem sogenannten ‚Schlei-Atlas’) eine detailgenaue Vermessung Kartierung aller Heringszäune. Im gleichen Jahr setzte der ‚Vertrag von Kappeln’, der sich auf die kartographischen Ergebnisse Mejers stützte, den chronisch schwelenden Streitigkeiten um die Fischereirechte zumindest vorläufig ein Ende.
Der juristische Kampf um die ertragreichen Heringszäune zeigt ihre wirtschaftliche Bedeutung. Aber für die Geschichte der Schleifischerei als Ganzes war entscheidend, dass sich die Schleswiger Privilegien einer „freien Fischerei“ nicht nur auf stationäre Fangmethoden wie die Zäune bezogen. Sie beinhalteten vielmehr auch das Ausübungsecht des Fischfangs mit Zugnetzen, den ‚Wadenzügen’. Zusammen mit dem Heringszäunen war die besonders ertragreiche – und begehrte – Wadenfischerei der sogenannten ‚Großen Fischerei’ vorbehalten. Rechtlich verblieb dem Großteil der Anwohner der unteren Schlei aber nur die ‚Kleinfischerei’, die mit Stellnetzen, Reusen, Grundangeln und dem Aalstechen ausgeübt werden durfte – und kaum mehr als zur Deckung des Eigenbedarfs mit Fisch genügte. Wirtschaftlich kam die Kleinfischerei also nur als Nebenerwerb in Frage, was mit dazu führte, dass viele Orte entlang der Schlei bis ins 19. Jahrhundert eher von Handel, Schifffahrt und Landwirtschaft als von der Fischerei lebten. Das betraf auch Kappeln, obwohl die heutige Stadt an der unteren Schlei Richtung Schleimünde auch im ganzen Umfang fischen durfte, also auch unter Einsatz von Heringswaden. Wie auch Maasholm beschränkte sich Kappeln in der ‚Großen Fischerei‘ aber schon deswegen, weil man Klagen und möglichen Eingriffen in die Schleswiger Fischereiansprüche aus dem Weg gehen wollte. Weniger füglich hingegen die Situation in Arnis: Herzog Christian Albrecht (1641-1691) hatte dem Flecken bei seiner Gründung 1667 zunächst umfangreiche Fischereirechte zugebilligt. Der Konflikt mit den weit älteren Schleswiger Rechtsansprüchen war vorprogrammiert und wurde besonders im 19. Jahrhundert offen ausgetragen: Mit dem Einsatz von Heringswaden unterlief Arnis in den 1830er und 1840er Jahren wiederholt die Schleswiger Privilegien. Die Reaktionen waren ungehalten und entschlossen, der Schleswiger Magistrat ließ in Arnis sogar polizeilich einrücken und Fischereigerätschaften konfiszieren. Wie die Schleswig-Holsteinischen Anzeigen berichten, wurde 1844 in der Arnisser Schifferkirche ein Verbot verlesen, „durch welches (…) sämmtlichen Eingesessenen der Insel Arnis (…) untersagt ward, die Heeringsfischerei auf der Schlei mit Waden und Schleppen zu betreiben“. Das Verbot verfehlte jedoch seine Wirkung, da die Arnisser in den Folgejahren bis vor das Kieler Appellationsgericht prozessierten. Aber auch das Gericht stellte 1854 fest, dass Arnis nicht über die Rechte zur Wadenfischerei verfüge. Noch 1890 präzisierte ein weiteres Kieler Gericht, dass Arnisser oberhalb der Büsdorfer Breite (östlich von Missunde) das Fischen gänzlich untersagt sei.
Abbildung. Eigentlicher Abriß des Schleistroms mit denen darinbelegenen Heringszeunen. Quelle: Kartograph Johannes Mejer 1649.
Bundgarne: ‚Heringszäune 2.0’ | Berufsfischerei seit dem 19. Jahrhundert
Während der teils barsch ausgefochtene Privilegienstreit auch 19. Jahrhundert nicht nachließ, schrieb der Import einer dänischen Fangmethode ein neues Kapitel in der Geschichte der Schleifischerei: Die sogenannte ‚Bundgarnfischerei’, eine reusenartige Stellnetzfischerei, hatte sich an der dänischen Ostseeküste als besonders ertragreich im Heringsfang erwiesen und wurde seit den 1860er Jahren von Maasholmer Fischern eingesetzt. Von der Anlage her waren die Bundgarne den Heringszäunen ähnlich, allerdings mit zwei Unterschieden: Materialbedingt waren sie wesentlich günstiger und – weit wichtiger – sie gehörten nicht zum Privileg der ‚Großen Fischerei’. Damit war die neue Fangmethode ein attraktives Schlupfloch für all jene, die rechtlich keine Wadenzüge und Heringszäune einsetzten durften und dies finanziell auch überhaupt nicht konnten. Innerhalb weniger Jahrzehnte verdrängte die Bundgarnfischerei die altgedienten, teils schon im Verfall befindlichen Heringszäune und trat deren Erbe an – zumindest an der unteren Schlei; in der inneren/oberen Schlei bis Schleswig setzten sich die Buntgarne nicht durch, dort erwiesen sich die Netze offenbar als weniger ertragreich.
Dennoch beförderte die neue Fangmethode die Ausbreitung der berufsmäßigen Schleifischerei. Besonders deutlich wurde die Veränderungsdynamik in Maasholm: Über die Gründung von Bundgarngesellschaften – mehrere Fischer bewirtschafteten Netze jeweils gemeinsam – brachten es die Maasholmer relativ zügig zu einer bedeutenden Fischerei. Historisch befördert wurde der Erfolg der Bundgarne in Maasholm und an der unteren und mittleren Schlei aber auch durch eine wirtschaftliche Strukturkrise: nachdem das bis dato dänisch regierte Schleswig-Holstein 1864 preußische Provinz geworden war, kam die Handelsschifffahrt mit Dänemark und Norwegen weitgehend zum Erliegen. Anders nur in Arnis: Hier brach der Norwegen-Handel erst mit Beginn der 1870er Jahre ein, als englische Dampfschiffe zu günstigen Preisen in den Ostsee-Raum verkauft wurden und die Arnisser Segelflotte langfristig nicht mehr konkurrenzfähig war. Danach gab es auch in Arnis im Grunde kaum mehr eine Alternative zur hauptberuflichen Fischerei. Viele Fischer setzten neben den Buntgarnen weiter auf die Kleine Fischerei mit Reusen und Stellnetzen – und blieben teils auch in der Landwirtschaft beschäftigt.
Auch wenn im 20. Jahrhundert über die Fischereirechte an der Schlei weniger prozessiert wurde, wurde das Konfliktthema wiederholt handfest ausgetragen: Von einem regelrechten „Kleinkrieg auf der Schlei“ zwischen Arnisser und Holmer Fischern aus Schleswig berichtet Marlies Jensen: Noch ein knappes Jahrhundert nach dem erstmaligen Versuch, das Schleswiger Privileg auf Wadenfischerei zu unterlaufen, setzten die Arnisser nach dem ersten Weltkrieg offenbar weiterhin Waden ein – die allerdings von den Holmer Fischern wiederholt aus der Schlei gezogen wurden, sobald die Waden in die obere Schlei hineinreichten. Die Arnisser Reaktion war nicht weniger zimperlich, selbst körperliche Angriffe mit Steinen soll es gegeben haben. Erst ein weiteres Gerichtsurteil aus dem Jahr 1924 legte den Kampf um die Wadenfischerei endgültig bei: Arnisser (und auch Kappeler) Fischer durften nur noch bis auf der Höhe von Sieseby fischen – wenngleich Holmer Fischer ihre Netze weiter bis auf die Grenze Arnisser Kirche/Schwonsburg auslegen durften. Trotzdem soll es noch bis in die 1930er Jahre Streitigkeiten gegeben haben – danach scheint die Fischereikonkurrenz zu Schleswig zumindest in Arnis kein dominantes Thema mehr gewesen zu sein.
Als Fußnote zu dieser Geschichte gehört, dass – zumindest im 20. Jahrhundert – in der Schlei nicht allein Fisch gefangen wurde: Bis in die 1960er Jahre sammelten viele Anrainer auch das Seegras/Seetang der Schlei. Die voll beladenen Kähne wurden in Arnis und andernorts angelandet. Das Seegras wurde mit LKWs zu Weiterverarbeitung abtransportiert und diente als Rohstoff für Matratzen und Kissen – eine alte Tradition, die heute (strand-manufaktur.de) wiederbelebt wird.
Fischerei in Arnis
Den halbwegs greifbaren Beginn der Fischerei auf der „Insul Arnis“ markiert eine einzelne Hütte: Eine Karte des „Schleiatlas“ von Johannes Mejer verzeichnet hier bereits 1641 eine „Vischerkate“ – eine Hütte, die dem Fischer Thomas Petersen gehört haben soll. Erst ein Viertel Jahrhundert später wurde die ansonsten unbewohnte Insel von 67 Kappelner Familien besiedelt, die sich dem Lehns- und Untertaneneid Detlefs von Rumohr (1634-1678) verweigert hatten. Mit dem 1667 vom Schleswiger Herzog Christian Albrecht (1641-1695) ausgestellten ‚Gründungsprivileg’ beginnt auch urkundlich die Fischereigeschichte des Fleckens: der letzte Paragraph des Privilegs billigt den Arnissern großzügige Fischereirechte zu „bis hin nach Schleimünde, gleichwie vorhin in Cappeln geschehen“. Ungeachtet dieser Freiheiten scheint der Fischfang in der frühen Ortsgeschichte aber keine existentielle Rolle gespielt zu haben. Anders die Schifffahrt allgemein: Schon in den 1670er Jahren stand einer nur spärlichen Inselbebauung eine beträchtliche Menge an Schiffen gegenüber, die Handel im gesamten Ostseeraum trieben. Die genauen Gründe für die Zurückstellung der Fischerei liegen im Dunklen. Einerseits ist denkbar, dass Arnisser Ambitionen auf Groß- und Kleinfischerei bereits in frühen Jahren mit den weit älteren Privilegien der Holmer Fischer auf „freien“ Fischfang auf der gesamten Schlei (und über Schleimünde hinaus) kollidierten. Entsprechende Auseinandersetzungen waren vorprogrammiert, Quellen belegen sie allerdings erst im 19. Jahrhundert. Andererseits mag die nachrangige Rolle der Erwerbsfischerei auch daran gelegen haben, dass die ausgewanderten Familien in Arnis von Beginn an bewusst eine andere wirtschaftliche Nische belegten: Es waren die Schifffahrt und der Handel, nicht die Fischerei, die Arnis um 1800 zu ansehnlichem Wohlstand verhalfen. Im 19. Jahrhundert verfügte der Ort über eine – gemessen an seiner Größe – exorbitante Flotte, die in Anzahl der Schiffe und Tonnage das größere Kappeln bei weitem ausstach. Die Handelsschiffe luden zwar auch geräuchterten Hering, es war aber vor allem der Verkauf von geräuchertem Fleisch und Würsten bis nach Skandinavien, der Arnis prosperieren ließ. Weniger die Fischer, sondern Reeder und Schiffer, später auch Bootsbauer, bestimmten weit über einhundert Jahre das Ortsbild.
Aufgrund des großen Fischreichtums an der Schlei wurde in Arnis trotzdem immer auch intensiv nebenerwerblich gefischt. Es dominierte die Kleinfischerei mit Reusen, Stellnetzen, im 20. Jahrhundert dann auch mit Buntgarnen. Die Fänge waren dabei durchaus andere als in Schleswig: Da Arnis näher an der Ostsee liegt, ist die Salinität der Schlei hier noch höher. Süßwasserfische wie den Karpfen gingen hier tendenziell seltener ins Netz als in Schleswig. Die ‚Brotfische’ Aale und Hering finden sich in Arnis und Schleswig dagegen in gleicher Dichte. In Arnis ebenfalls häufig gefangen wurden Barsch, Butt und der heute kaum mehr anzutreffende Schleischnäpel, einer der Forelle verwandten Lachsart (Holmer Fischer sorgten mehrfach für Neubesatz in der Schlei).
Eine Art Initialzündung für die hauptberufliche Fischerei im Arnis des frühen 20. Jahrhunderts war der Zuzug der Familien Wiese und Pröck, die heute in dritter Generation teils dort noch immer fischen. Die Wieses zogen kurz nach Ende des ersten Weltkrieges vom Schönberger Strand (unweit von Kiel) nach Arnis. Kurz darauf folgten ihnen die Pröcks aus Westpreußen, die ebenfalls ihre bereits vorhandenen Fischkutter („Samland“) mitbrachten. Die hochseetauglichen Kutter eröffneten der in Arnis beheimateten Erwerbsfischerei neue Spielräume: Anders als mit Schleikähnen und kleineren Fangbooten konnten jetzt die Fanggründe der Ostsee erreicht – und zudem rechtliche Konflikte um Großfischerei auf der Schlei umgangen werden. Verkauft wurde der Fang in Kappeln, wo er im Regelfall weiter nach Kiel lief. 1929 schlossen sich etwa ein Dutzend der ersten Berufsfischer in Arnis nach Maasholmer Vorbild zu einem Fischereiverein zusammen. Die Mitglieder griffen sich logistisch und finanziell gegenseitig unter die Arme, etwa beim Kauf und dem Teeren von Netzen. Aber es ging auch um Abgrenzung von den Interessen der wachsenden Nebenerwerbsfischerei in Arnis, die bald einen eigenen Verein gründete. Als mit dem Flüchtlingsstrom gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Einwohnerzahl von Arnis kurzfristig um das Dreifache anstieg, versuchten sich viele Neueinwohner (aber auch Alteingesessene) in der Fischerei. Rechtlich wurde die Situation herausfordernd: Arnis durfte nur eine begrenzte Zahl an Fischereierlaubnisscheinen für die Kleinfischerei erteilen, die Nachfrage überstieg bei weitem das Angebot. Die Erlaubnisscheine wurden letztlich phasenweise per Los vergeben. Zulässig war das Setzen von Reusen –und Buttnetzen.
Die sich über die Jahre kaum veränderte Zahl an Berufsfischern in Arnis wuchs nach dem zweiten Weltkrieg um die aus Ostpreußen geflohene Familie Schock, deren Fischereitradition ebenfalls bis heute fortbesteht – auch wenn der Kutter von Robert Schock nicht mehr in Arnis, sondern in Kappeln liegt. Die Brüder Erich und Heinz Schock fischten zunächst Ende der 1940er Jahre mit einem Schleikahn nur unweit von Arnis, konnten jedoch bald über zwei kleinere Kutter auf ein größeres Schiff („Sirius“) umsteigen. Später kam ein zweiter Kutter („Rita“) hinzu. Gefischt wurde gemeinsam mit der Familie Wiese, in erster Linie auf der Ostsee, aber nicht nur. Die Familie Pröck beschränkte sich etwa auf die Kleinfischerei auf der Schlei, nachdem sie aus Altersgründen von der Ostseefischerei Abstand genommen hatte (ihr Kutter, die „Samland“, lag noch Jahrzehnte später als Wrack unweit der Arnisser Eberhardt-Werft). Später als in Maasholm setzten die Familien Wiese und Schock auf der Schlei auch Bundgarnnetze für den Herings- und Aalfang ein: Die Wieses hielten Rechte an Bundgarnen vor Kopperby und Königsstein bei Arnis, die Schocks vor der Schwonsburg und dem Nicolaiheim auf der Schwansener Schleiseite. Hier wurden besonders Heringe und Aale gefangen. Verstärkt auf der Schlei gefischt wurde zudem in den Werftzeiten der Kutter. Wenn diese im Frühjahr für ihre Ostseeeinsätze überholt wurden, setzten die Wieses neben Bundgarnen und Heringsstellnetzen auch Aalangeln in der Schlei aus. Als Besteck für die Aalangeln kamen kleine Tobias-Fische zum Einsatz, die mit Schleppnetzen vor Schleimünde gefangen wurden. Auf diesen Köder bissen die Aale erfahrungsgemäß besonders gut an.
Arnis lebt heute in erster Linie vom Fremdenverkehr, die wirtschaftliche Bedeutung der Fischerei hat ebenso abgenommen wie die des Bootsbaus. Gefischt wird nur noch nebenberuflich mit kleineren Booten und Stellnetzen. Allerdings wird die Tradition der Arnisser Erwerbsfischerei weiter aufrecht erhalten: die Familien Wiese und Schock sind weiterhin auf der Ostsee unterwegs, auch wenn ihre Kutter mit dem Heimathafen Arnis nunmehr an der Pier im Kappelner Fischereihafen liegen. Nachdem der Arnisser Fischereiverein schon lange nicht mehr existiert, sind beide Mitglied in der Maasholmer Fischereigenossenschaft. Einige Arnisser haben sich zudem im jährlich stattfindenden Aalbesatz in der Schlei engagiert.
Fischerei und Fischerleben in Schleswig: Geschichten von Holm
Die Geschichte des Holms, Schleswigs ältestem Stadtteil, ist aufs engste mit der Fischerei verwoben: Auf dem Holm, bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Insel, wurde schon während oder kurz nach dem Untergang der Wikingermetropole Haithabu am gegenüberliegenden Schleiufer gefischt. Das belegen archäologische Funde. Der Holm ist bis heute neben Gothmund an der Trave das älteste noch bestehende, authentische Fischerviertel Schleswig-Holsteins. Wie sehr das Leben auf dem Holm von Anfang an auf die Fischerei ausgerichtet und von ihr geprägt war, zeigt schon das Siedlungsbild: Im Sinne schneller Fischverarbeitung sind alle Häuser möglichst nah am Wasser gebaut. Die Geschichte der Schleswiger Schleifischerei ist auch eine Geschichte der Privilegierung: Als älteste und mit Abstand größte Siedlung, später dann Stadt an der Schlei war Schleswig samt Fischerei bereits seit dem Mittelalter mit besonderen Vorrechten ausgestattet. Für andere Schleianrainer und -orte bedeuteten diese Privilegien eine jahrhundertelange Herausforderung – die bis ins 20. Jahrhundert von entsprechenden Konflikten begleitet wurde. Schon das Schleswiger Stadtrecht von 1280, speziell aber der zweihundert Jahre später erlassene „Schleibrief“ des dänischen Königs Christian I. sprach nur den Schleswiger Fischern das Recht zu „frei“ auf der gesamten Schlei zu fischen. Neben der Größe der Fanggründe war allerdings auch entscheidend, dass allein die Holmer Fischer mit den besonders fangreichen, großen Zugnetzen („Waden“) fischen durften. Dieses Privileg nannte man später das Vorrecht auf „Große Fischerei“. Die Wadenfischerei war gemeinschaftlich organisiert, schon deswegen, weil zum Einholen der Netze zwei Boote samt Mannschaften nötig waren. So bestand jede „Wade“ aus acht Fischern, die sich unter Führung eines gewählten Ältermanns zu einer gleichberechtigten Erwerbsgemeinschaft zusammenschlossen.
Abbildung. Dieser nostalgisch wirkende Blick in die Süderholmstraße aus dem Jahr 1927 täuscht leicht darüber hinweg, dass bereits zu diesem Zeitpunkt immer mehr Fischer in existentielle Not geraten waren. 1932 betrug die Arbeitslosigkeit unter den Fischern 70 Prozent. Quelle: Archiv Stadtmuseum Schleswig. Fotograf: unbekannt.
Diese lockere Organisation des Holmer Fischereiwesens bestand über mehrere Jahrhunderte; erst Anfang 1765 fanden sich knapp drei Dutzend Fischer in einer Fischergesellschaft zusammen – das Geburtsdatum der bis heute bestehenden Holmer Fischerzunft. Alle Zunftmitglieder mussten Vollerwerbsfischer sein. Die Zunftmitgliedschaft wurde von die Väter auf ihre Söhne vererbt – allerdings musste der Nachwuchs in die Wade, wie es hieß, zusätzlich ‚eingekauft’ werden. Noch einmal ließ man sich vom dänischen König weitreichende Fangprivilegien zusichern, da man sich durch „fremde Fischer“ in seiner Existenz bedroht sah. Das in diesem Zusammenhang bestimmte „Fischerei-Regulativ“ sollte von zwei gewählten Älterleuten umgesetzt und überwacht werden; es legte den Holmer Fischern eine durchaus rabiate Durchsetzung ihrer Ansprüche nahe: „So haben die Fischer dahin zu sehen, daß sich niemand von der Stadt bis eine Meile in der See auf diesem district zu Fischen unterstehe und sich mit Netzen, Ahlhacken, Eelcken, Ahlwaden und Fisch Reussen sehen lasse und den Fischern Eingriff thun, auch haben die Fischer solches jedesmal getreulich anzuzeigen und den fremden Fischern ihre Käne, Netze, Ahlhacken und sonstiges Geräth abzunehmen“. Neben rechtlicher Abgrenzung nach außen ging es der Zunft aber von Beginn an um Verantwortung, um einen respektvollen Umgang mit der Natur. Hier zeigt sich, dass schon das 18. Jahrhundert Motive der Ressourcenschonung und Maßnahmen gegen Überfischung kannte. So mahnt Paragraph 9 des „Fischerei-Regulativs“ ausdrücklich an, junge Fische wieder zurück in die Schlei zu befördern: „Was die ordentlichen Waden anbetrift, so müssen die Maschen von der gewöhnlichen Größe sein, so daß füglich zween Finger in jede Masche können gesteckt werden, damit die junge Brut könne geschonet und nicht weggefischet werde“. Den Holmer Fischern ist nachhaltiges Handeln bis heute eine Maßgabe geblieben: Kleine Fische werden grundsätzlich wieder zurück in die Schlei gegeben, es gibt es Schonzeiten für diverse Fische (z.B. Brassen, deren Abnahme schon vor einhundert Jahren beklagt wurde) und die Holmer kümmern sich um den Neubesatz der Schlei mit Aalen und anderen Arten, deren Bestände (Schnäpel, Meerforelle) bedroht sind.
Abbildung. Holmer Fischer Anfang der 1930er Jahre. Quelle: Archiv Stadtmuseum Schleswig. Fotograf: unbekannt.
Im 18. Jahrhundert gehörten rund dreißig Familien zur Holmer Fischerzunft – mit stetem Zuwachs. Um 1900 sollen schon rund 100 Familien ausschließlich vom Fischfang gelebt haben. Besondere Berühmtheit erlangte der Holm durch die Güte des Schleiherings, der sogar bis in die Türkei exportiert wurde. Weitere Haupteinnahmen sicherte der Aalfang. Negativ auf die Fischereigeschichte auf dem Holm wirkten sich allerdings die von Rezessionen geplagten 1930er Jahre aus: Vielen Fischern fehlte selbst das Geld zum Flicken der Netze, viele mussten mit dem Fischen ganz aussetzen und sich anderweitig verdingen. Um 1935 übten nur noch knapp fünfzig Waden- und zwanzig Kleinfischer in Schleswig ihr Handwerk aus, eine Zahl, die sich mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch den Flüchtlingszuzug wieder erhöhte. Anders die Gegenwart: Heute besteht die Fischerzunft aus nurmehr zehn Berufsfischern. Allein fünf dieser Fischer gehören zur Familie Ross, die nachweislich bereits seit 1734 auf dem Holm fischt. Heute verkaufen die Holmer Fischer Jörn Ross und Jörg Nadler den eigenen frischen Fang im Schleswiger Hafen. Die reichsten Fänge fahren sie zwischen September und November ein – zu dieser Zeit vor allem Aal, Butt, Barsche, Hechte, diverse Weissfische und auch Schnäpel. Heringe werden in der ‚Heringszeit’ klassisch von Februar bis Mai gefangen.
Abbildung. Ein historisches Dokument ist dieses Foto, das Holmer Fischer in den sechziger Jahren b eim Einholen eines Wadennetzes zeigt. Die seit dem Mittelalter betriebene gemeinsame Wadenfischerei kam Anfang der siebziger Jahre zum Erliegen. Quelle: Archiv Stadtmuseum Schleswig. Fotograf: unbekannt.
Der Schleikahn
Das historische Bild der Fischerei an der Schlei ist eng verwoben mit den typischen Schleikähnen: Das traditionelle Fischereifahrzeug wurde – und wird teilweise noch – von Holmer Fischern seit Jahrhunderten genutzt, später dann auch in Kappeln, Arnis und Maasholm. Als offenes Flachbodenschiff (ohne Deck und Kajüte) mit einer Länge zwischen 5 und 14 Metern waren die schweren, überwiegend aus Eichenholz geplankten Kähne perfekt an die Gegebenheiten der Fischerei in der flachen Schlei mit ihren seichten Uferregionen angepasst. Baulich verwandt ist der Schleikahn mit den dänischen Smakke-Jollen. Zwar waren die Kähne seit jeher mit Segeln ausgestattet – jeweils mit 1-2 Sprietsegeln (viereckige Segel, die durch ein eine Spiere (Rundholz) diagonal vom Schiffsmast abgesetzt werden). Gegen den Wind ließ es sich mit ihnen allerdings nur schwer kreuzen, in der Regel wurden die Segel nur bei Raumwind oder vor dem Wind gesetzt. In erster Linie wurden die Schleikähne von bis zu vier Mann (zwei Riemenpaare) gerudert. Mit Blick auf regional abweichende Rechte und Fangmethoden wurden die Kähne unterschiedlich eingesetzt: in Kappeln überwiegend zur Befischung der stationären Heringszäune, in Arnis zum Ausbringen von Reusen, in Maasholm auch zum Fischen auf offener See. Lediglich die Schleswiger benutzten aufgrund ihrer fischereirechtlichen Privilegien die Schleikähne für die Wadenfischerei auf der Schlei. Für das Ausbringen der bis zu 1000 Meter langen Netze waren zudem spezielle „Woi-Kähne“ (Woi=Wade) nötig: Sie waren mit bis zu elf Metern besonders lang und nahmen bis zu sechs Fischer auf – vier Mann ruderten, zwei brachten die Wade aus, woraufhin ein Beikahn die Wade um den vermuteten Fischschwarm herumzog. Neben dem Einsatz war auch die Bauweise der Schleikähne teilweise unterschiedlich: Die an der unteren Schlei (Arnis, Kappeln, Maasholm) eingesetzten Varianten unterschieden sich von den Holmer Kähnen in zwei Punkten: Sie führten nur einen vorderen Mast, dahinten verfügten sie über eine „Büng“ zur Lebenderhaltung der gefangenen Aale. Aufgrund ihrer zwei Masten schleppten die Holmer Kähne den Fang in einem „Hübfass“ (Kasten mit Löchern) hinterher. Anders als die Holmer Kähne hatten die Arnisser und Maasholmer zudem einen innenliegenden Weger (Spanten zur Verstärkung des Rumpfes).
Abbildung. 1936 entstand dieses Porträt des Holmer Fischers Daniel Möller (sitzend auf einem Schleikahn). Da der wetterfeste Mann für Holmer Verhältnisse sehr belesen war, trug er den Ökelnamen (Spitznamen) “Dokter”. Quelle: Archiv Stadtmuseum Schleswig. Fotograf: unbekannt.
Die Bedeutung der Kähne für die Identität der fischenden Schleianwohner zeigt sich auch in teils bis heute gepflegten Bräuchen: Für Fischerhochzeiten auf dem Schleswiger Holm wurden die Schleikähne festlich geschmückt und der Bräutigam holte seine Braut mit dem Kahn ab. Und noch bis heute findet jedes Jahr Ende August in Schleswig die „Zwiebackregatta“ mit voll aufgetakelten Holmer Fischerkähnen statt. Von nebenberuflich Fischenden werden die traditionellen Schleikähne in wenigen Fällen bis heute als Fangboot eingesetzt. Daneben werden die Kähne aus nostalgischen Gründen auch als Freizeitboote gesegelt.
Austern in der Schlei?
Jahrhundertelang bildeten die reichen Bestände an Heringen und Aalen das Rückgrat der Schleifischerei. Beide Fische wandern zwischen Salz- und Süßwasser und finden im nur gering salzhaltigen Brackwasser der Schlei ideale Laich- und Lebensbedingungen; mit einem Salzgehalt von unter 3% liegt die Schlei zwischen Fluss und Meer und ist damit Lebensraum für viele Salz- und Süßwasserfische, aber auch Weichtiere und Muscheln. Diese spezielle Gewässerprägung steht im Zusammenhang mit einigen Kurzepisoden aus der Fischereigeschichte der Schlei: Pflegt man heute nur noch das jährliche Aalaussetzen (in Schleswig, Arnis, Kappeln und Maasholm), um die rückläufige Population einer bereits heimischen Fischart zu bremsen, so wurde früher mehrfach versucht, die Fischwirtschaft auszuweiten, indem man auch nicht-heimische Fischarten und Muscheln in der Schlei ansiedeln wollte. Hintergrund der Bemühungen war allerdings auch, dass bereits im späten 19. Jahrhundert die Klagen über einen sinkenden Bestand nicht nur an Aalen zunahmen. Wie Fischer beklagten, habe gerade die große Sturmflut des Jahres 1872 die Fänge an Süßwasser-Fischen in der Schlei rapide dezimiert. Mit der Aussetzung von „Edelfischen“ wollte man hier aktiv gegensteuern. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts gab es erste Anläufe, beliebte Süßwasser-Speisefische in der oberen Schlei anzusiedeln. Im binnenseeartigen Selker Noor – nur durch einen schmalen Durchlass mit der Schlei über das Haddebyer Noor verbunden – setzte man etwa größere Mengen an Karpfen aus, allerdings ohne den erhofften Ertrag. Intensivierte Versuche der Fischzucht und –aussetzung bei Schleswig sind dann nicht zufällig in den 1870er Jahren zu verzeichnen: 1877 wurde der „Central-Fischerei-Verein für Schleswig-Holstein“ gegründet (heute: „Landesfischereiverband Schleswig-Holstein“), der sich für die systematische Förderung der Fischerei (nicht nur) in Binnengewässern einsetzte. Der Verein kooperierte logistisch und finanziell direkt mit der Stadt Schleswig und der Holmer Fischerzunft. Diese beäugte die „künstliche Fischzucht“ zwar zunächst skeptisch (Fischerei-Zeitung 1899), übernahm dann aber doch die Aussetzung einer vom „Fischerei-Verein“ gelieferten Lachsbrut, ebenfalls im Selker Noor. Offenbar stiegen die Lachsfänge aber nur in den unmittelbaren Folgejahren außerhalb des Noors in der oberen Schlei kurzfristig an. Ein gleiches Bild ergab die Aussetzung von Zandern, die man zeitgleich in vielen schleswig-holsteinischen Gewässern zu kultivieren versuchte: Im Winter 1875 setzten Schleswiger Fischer einige Dutzend Zander aus. Auf anfängliche Fangerfolge mit Wadenzügen in der Schlei folgte auch hier die baldige Ernüchterung. Allerdings lassen sich Zander an der Schlei bis heute an den Haken locken. Unterstützt von einer Beihilfe des „Central-Fischerei-Vereins“ versuchte die Holmer Fischerzunft auch, die in der oberen Schlei eher selten anzutreffende – und daher teuer gehandelte – Flunder (Raubutt/Graubutt) im Bestand zu vergrößern. Daneben wurden mehrfach, wie die Fischerei-Zeitung etwa 1895 berichtet, tausende Eier von Ostseelachsen in der oberen Schlei ausgesetzt.
Eine besonders kurioser Abschnitt der Fischereigeschichte der Schlei liefert die ebenfalls im späten 19. Jahrhundert erstmals versuchte Austernsucht bei Maasholm. Ende Dezember 1887 berichtete die Fischerei-Zeitung: „In diesen Tagen ist die erste Sendung junger amerikanischer Austern in der Schlei ausgesetzt worden. Es ist ein nicht unbedeutendes Kapital, welches in der Bucht zwischen Schleimünde und Rabelsund versenkt ist. (…) Ein Ertrag ist aber erst nach vier bis fünf Jahren möglich, da die Auster so lange Zeit zu ihrer Entwicklung bedarf“. Ganz unbegründet war die Hoffnung auf eine erfolgreiche Zucht womöglich nicht, da speziell die Amerikanische Auster in Küsten- und Mündungsgewässern mit geringer Salinität beheimatet ist. Das Austern-Projekt wurde sogar von der überregionalen Presse aufgegriffen und in sein wirtschaftlicher Modellcharakter betont: Ebenfalls noch im Dezember 1887 notiert die Leipziger Illustrierte Zeitung: „Bei Maasholm an der Schleswig-Holsteinischen Ostseeküste wurde kürzlich die Untersuchung der dort ausgelegten Austern vorgenommen. (…) Der Versuch ist bisher insofern geglückt, als die Lebensfähigkeit der amerikanischen Auster in dem Wasser der Schlei bei Maasholm erwiesen ist. Die in diesen Tagen aufgenommenen Austern waren alle lebendig. Eine Fortsetzung der Austernzuchtversuche wäre sehr erwünscht, wenn sie gelängen, eine große nationalökonomische Bedeutung erlangen würden“.
Fangmethoden / Fangtechniken
Kleinfischerei: Maßgebliche Fangmethode sind Stellnetze, Takeln, Angelschnüre und Reusen. Die dreiwandigen Takelnetze bestehen aus einem Innengarn und Spiegelmaschen. Gefangen werden Hechte, Butt, Plötze, Barsche, Schleie, Brassen und Karpfen. Bei Angelschnüren hängen im Abstand von ca. 2,50 m bis zu 100 Haken.
Das ‚Aalstechen’: Eine archaische, aber ebenso effektive Fangmethode. Das ‚Aalstechen’ lässt sich im Ostseeraum archäologisch schon seit tausenden Jahren nachweisen. Das Aalstechen konnte in der warmen Jahreszeit im flachen Wasser oder im Kahn ausgeübt werden, in der Schlei wurde es jedoch in erster Linie in den Wintermonaten vom Eis – oder vom Boot – ausgeführt: Nachdem Löcher ins Eis geschlagen wurden, stießen die Fischer 5 bis 6 Meter lange Stangen – die sogenannten „Elker“ – auf den Grund. An den Elkern waren Aalstecheisen („Scheeren“) befestigt, überwiegend in der Form einer dreizackigen Gabel, zusätzlich versehen mit vielen Widerhaken (siehe Abb.). Die Stangen wurden durch Löcher im Eis so oft in den morastigen Grund gestochen, bis sich ein Aal inder „Scheere“ eingeklemmt hatte. Der Fangerfolg hing im entscheidenden Maße von der Erfahrung ab: Der Fischer musste die Stellen kennen, an die sich die Aale im Winter zurückzogen und in den Grund wühlten. Da das Stechen überwiegend zu groben Verletzungen der Fische führte, konnten die Aale in der Regel nicht veräußert werden und dienten dem Eigenbedarf. Das Aalstechen wurde in den 1950/70er Jahren aus Gründen des Tierschutzes verboten, vereinzelt aber weiter ausgeführt. Die unwirtliche Härte des winterlichen Aalstechens auf der Schlei beschreibt Claus Kuschert in seinen ungedruckten Erinnerungen (1968) an die Kindheit in Arnis: „War die Schlei zugefroren und das Eis stark genug, dann wurden das Fanggerät (…) auf einen großen Schlitten geladen und zur Fangstelle gepeekt. Mit einer großen Axt wurde ein rundes Loch in das Eis geschlagen, die losen Schollen wurden unter die feste Eisdecke geschoben und dann wurde der Grund mit dem Elker nach allen Richtungen abgesucht. Das Aalstechen af dem Eis war ein noch schwereres Geschäft als das vom Kahn aus, denn bei dem stundenlangen Stehen auf dem Eise wurden die Füße kalt, trotzdem man Holzschuhe trug und die Hände erstarrten, weil die Elkerschächte sich von dem kalten Wasser bald mit einer Eisschicht überzogen. Auf dem Eise fischte jeder für sich (…). Die gestochenen Aale, die auf dem Eise bald erstarrten, wurden in einem Beutel auf dem Schlitten aufbewahrt. Natürlich musste man oft vergeblich arbeiten und ein Loch nach dem anderen schlagen, auch wohl einen ganz anderen, entfernteren Platz aufsuchen. Hatte man aber das Glück, aus seinem Loch mehrere Aale zu stechen, dann waren sicher in kurzer Zeit alle anderen Aalstecher, die in der Nähe waren, um den Glücklichen herum und schlugen ihre Löcher wohl so nahe bei ihm, dass das Eis zwischen den Löchern wegbrach und man den Platz verlassen musste (…). Das Aalstechen auf dem Eis war nicht ohne Gefahr, vor allen die Fahrt mit den Schlitten zu den Fangplätzen nicht.“
Aalwehre: Der Einsatz von Wehren zum Aalfang hat an der Schlei eine ähnlich lange Geschichte wie die Heringszäune: Schon 1641 beschrieb und zeichnete der Husumer Kartograph Johannes Mejer (1606-1674) mehrere größere „Alwehre“ als Teil seines ‚Schlei-Atlas’ (http://www.kb.dk/maps/kortsa/2012/jul/kortatlas/subject231/da/). Mit den Zäunen wurden ganzjährig Fische gefangen; Erlöse und Fangergebnisse lassen sich jedoch ebenso wenig bestimmen wie bei den Heringszäunen.
Aalangeln/Aaalschnüre: Bis heute wird der Aal über erteilte Fischereischeine über Angelhaken gefangen. Der Reduktion des Aalbestands in der Schlei hat diese Methode insofern Vorschub geleistet, als viele ‚untermäßige’ Aale geangelt wurden/werden. Die Klage über schwindende Aalbestände lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen: Schon 1643 klagten Schleswiger Fischer darüber, dass die entlang der Schlei wohnenden Bauern eine beträchtliche Masse an Aalen unberechtigterweise wegfingen. Beliebt war auch das Aal- (und Dorsch-)Angeln über eine Grundangelschnur oder Langleine: einer rund 200 Meter langen Schnur, an der in einem ca. einem Faden (1,80 Meter) Haken befestigt sind.
Aalreusen: In früheren Zeiten noch aus Weidenkorb-Material, dann aus Baumwolle und Perlon, werden Aalreusen im flachen Wasser gesetzt und an dünnen Pfählen befestigt. Im Herbst, wenn der erwachsene Aal ‚zieht’, kamen zudem im Mündungsgebiet der Schlei kamen „große Reusen“ zum Einsatz: Die Reusen sind einem kleinformatigen Bundgarn vergleichbar und wurden an armdicken Pfählen im Mündungsgebiet der Schlei aufgestellt.
Aalwaden: Der Fang mit Aalwaden schloss sich meist an die Beendigung des Heringsfangs Ende Mai/Anfang Juni an. Wie die Heringswaden auch, wurden die Aalwaden von etwa acht Mann bedient. Sie waren allerdings von geringerer Länge und engmaschiger als die Heringswaden. Zudem wurden sie nicht ans Ufer gezogen, sondern direkt in die Bote. Betrieben wurde der Fang nur an 3-4 Tagen der Woche, damit sich die Aale wieder an den Fanggründen sammeln konnten. An wärmeren Tagen und an Ostwind war diese Fangmethode besonders ertragreich: Unter diesen Bedingungen sollen pro Tag bis zu 500 Pfund Aale gefangen worden sein. Eine kleinere Variante der Aalwaden bildeten die Aalschleppen: Kleinere, von vier Mann bediente Netze.
Aalwaasen: Die Waasen waren etwa 20 Zentimeter dicke und 1 Meter lange Reisigbündel, die man am Ufer der Schlei im seichten Wasser versenkte. Geborgen wurden die Bündel am folgenden Morgen – häufig hatten sich über Nacht Aale in die Bündel zurückgezogen.
Aalblüsen: Archaische Fangmethode, die auf der Schlei im ufernahen Gebiet Nachts und bei ruhigem Wasser ausgeübt wurde: Eine Lampe im Vordersteven eines Kahns scheuchte die Aale auf, die von den Fischern mit dreizackigen Stecheisen (vgl. Aalstechen) gefangen wurden.
Heringszäune: Ein stationärer Zaun zum Fang von Heringen, errichtet aus Pfählen und Strauchwerk. Die Heringe fangen sich in Reusen, die die Schlussteile solcher Zäune bilden. Häufig bildeten die trichterartig aufgebauten und eng beieinander liegenden Zäune ein regelrechtes Labyrinth. Man unterschied ‚Flut-’ und ‚Fallzäune’, deren Öffnung in unterschiedliche Richtung wies: In ‚Flutzäunen’ fingen sich die von der Ostsee in die Schlei aufsteigenden Heringe, in ‚Fallzäunen’ dagegen die abwandernden Heringe. Schon der ‚Schlei-Atlas’ von Mejer/Dankwerth aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigt plastisch, wie beide Zaunarten häufig zu einer Einheit verschmolzen und den Heringen kaum Ausweichmöglichkeiten boten. Eine topographisch Beschreibung Schleswig-Holsteins aus dem 19. Jahrhundert spricht von der Schlei als einer regelrechten „Heringsgasse, ein Zaun grenzt an den anderen, daher es denn nicht auffallend ist, dass nur wenige Heringe bis in die Oberschlei dringen können“.
Anders als die spätere Stellnetzfischerei, sind die Heringszäune der Schlei wahrscheinlich einzigartig. Die bis ins 19. Jahrhundert äußerst begehrte stationäre Fangmethode ist alt, hochmittelalterlich oder älter – wenigstens bis ins Jahr 1451 lässt sich die Geschichte der Heringszäune zurückverfolgen: In diesem Jahr wurde der – in Rudimenten noch heute bestehende – Ellenberger Heringszaun bei Kappeln urkundlich erstmalig erwähnt. Laut C. Radke lässt das Schleswiger Stadtrecht von 1280 jedoch vermuten, dass der Heringsfang mittels Zäunen in der Schlei möglicherweise bereits im 12. Jahrhundert ausgeübt wurde. Über die Jahrhunderte wurden kaum Fangmengen erhoben; die vielen Rechtsstreitigkeiten um die Zäune legen jedoch nahe, dass sie äußerst ertragreich waren. Sie dürften aber nicht nur aufgrund – umstrittener – rechtlicher Privilegien dem Adel vorbehalten gewesen sein, sondern vor allem wegen des hohen und kostenintensiven Materialaufwandes, der nötig war, um die Heringszäune zu errichten und zu unterhalten. Zählte man zur Mitte des 17. Jahrhunderts noch rund 40 Heringszäune – vor allem in der unteren Schlei, von der Mündung bis zur Höhe von Arnis –, nahm ihre Dichte im 19. Jahrhundert rapide ab: 1826 gab es noch 28 der großen Fangeinrichtungen, 1850 nur noch 20. Von diesen waren einige bereits in Verfall. Der schleichende Bedeutungsverlust der Heringszäune erklärt sich einerseits aus dem Vordringen der Netzfischerei. Die aus Dänemark übernommene Buntgarnfischerei und die Zugnetzfischerei mit Heringswaden boten vielen Schleianrainern kostengünstige Alternativen zu den Heringszäunen. Rechtlich waren sie zudem unproblematischer, weil sie nur der ‚Kleinen Fischerei’ zugerechnet wurden. Andererseits war die Abnahme der Heringszäune auch politisch forciert, um eine Überfischung der inneren Schlei zu verhindern: Auf Veranlassung der preußischen Regierung wurden nach 1864 viele Zäune mit dem Argument beseitigt, der Hering müsse tiefer in die Schlei zu seinen Laichplätzen vordringen können.
Bundgarn: Aus Dänemark im 19. Jahrhundert übernommene Fangmethode stationärer Stellnetzfischerei, von ihrer Anlage den Heringszäunen ähnlich. Das Bundgarn, auch Grundgarne genannt, ist prinzipiell eine Großreuse. Sie besteht aus senkrecht vom Ufer weg führenden, an Pfählen aufgehängten Netzwänden, den Leitgarnen, und der ebenfalls aus Netz bestehenden Fangkammer, angeschlossen an das uferferne Ende des Leitgarns. Netze und Pfähle des Bundgarns reichen aus der Wasseroberfläche heraus. Bundgarne waren zwar günstiger als Heringszäune, wurden aber dennoch in der Regel von mehreren Fischern zusammen finanziert und betrieben – den sogenannten ‚Bundgarngesellschaften’. Wie andere Netze auch, wurden das Bundgarn zunächst aus Flachs und Hanf hergestellt. Erst spätere mechanische Netzfabriken etablierten Baumwolle als Netzmaterial.
Wadenfischerei: Neben den Heringszäunen wurde die ‚Große Fischerei’ auf der Schlei mit Zugnetzen betrieben, den sogenannten ‚Waden’. Anders als die stationären Heringszäune war die Wadenfischerei eine flexible Fangmethode, die den Heringszäunen seit dem späten 18. Jahrhundert allmählich dem Rang ablief. Teilweise existierten bis zu 180 Wadenzüge in der Schlei – fest abgesteckte Fanggebiete. Eine Heringswade schloss mit einem ca. 15-20 Meter langen Fangsack (Hamen) ab. Von jedem Flügel der Wade verlief eine mehrere Hundert Meter lange Zugleine zum Boot. Zu jeder Wade gehörten in der Regel zwei Schleikähne. Gefischt wurden fast ausschließlich Heringe und Aale (in weit geringerem Maß auch Brassen), jeweils mit speziellen Netzen samt unterschiedlicher Maschenweite. Herings- und Aalwade unterschieden sich auch in der Art der Einholung: Aalwaden wurden vom Boot eingeholt, die Heringswaden vom Land aus. Gefischt wurde mit den Wadenzügen von Januar – dem Zeitpunkt des Eintreffens erster Heringe – bis Dezember. Die Holmer Fischer reklamierten dabei den Bereich von Schleswig bis Arnis-Kirche für sich, die Kappelner den Bereich zwischen Arnis und Maasholm.
Heringsstellnetze: Zur ‚kleinen Fischerei’ gehörend, wurde – und teilweise wird noch – mit Heringsstellnetzen in Schleswig, Arnis, Kappeln, Maasholm und einigen anderen Orten entlang der Schlei gefischt. Anders die Situation vor rund 100 Jahren: Um 1930 soll es mehr als Hundert solcher Stellnetze in der Schlei gegeben haben. Besonders für das enge Fahrwasser bei Arnis hatte die Heringsstellnetzfischerei früher große Bedeutung, sie blieb dabei allerdings wegen des beengten Raumes nicht frei von Platzstreitigkeiten. Reibereien unter den Fischern gab es auch deswegen, weil die Stellnetze mitunter in Bereichen der Schlei erfolgte, die eigentlich den Wadenzügen vorbehalten waren.
Tängen/Glippen: Einfache Methode des mobilen Aalfangs, mit der langzeitig gute Erfolge erzielt wurden. Die Tänge (oder Glippe) war ein aus Latten zusammengesetztes, mit Maschendraht bespanntes Prisma (von ca. 2,50m Breite und 80 cm Höhe), in das grundnah lebende Aale (aber auch Plötze, Hechte und Barche) hineingeschoben wurden. Für das Tängen waren zwei Schleikähne erforderlich. Technisch lief der Fang wie folgt ab: Die beiden Boote wurden durch eine ca. 12m lange Stange auseinander gehalten und parallel zueinander gelegt. Von einem Boot aus wurde die Glipp mit einer am Fangkorb angebrachten Stange schräg ins Wasser gestellt, während die Fischer im gegenüber liegenden Boot mit so genannten „Pulschern“ die Fische in die Glipp scheuchten. Am Ende der langen Stange waren die „Pulscher“ mit Querbretter versehen, um am Grund ähnlich wie Besen zu funktionieren. „Getängt“ wurde vor allem an der Grenze zwischen bewachsenem Ufer- und tieferem Schlickbereich. Teilweise wurde das Tängen auch ohne Boote direkt am Uferbereich von nur zwei Fischern ausgeführt. Heute wird das Tängen von Gelegenheitsfischern nur noch selten betrieben, nach dem Krieg war es vor allem eine Domäne der Lindauer Einwohner.
Fußnoten:
1 Moderne Übersetzung nach: Baumert: Das Recht der Schleswiger Fischer an der Schleifischerei. Eine Entgegnung, Schleswig 1917.
2 Auskunft aus einem Gespräch mit Lieselotte Wiese, Arnis.
3 https://hsvs.de/ueber-uns/schleikaehne/
Literatur (Bibliographie wird laufend ergänzt):
Jochen Bracker: Hökernde Schiffer aus Arnis an der Schlei, in: Die Heimat 1990
Horst Franzen: Maasholmer Fischerei- und Seefahrtsgeschichte, Maasholm 2005
Horst Franzen: Streit um die Fischereigerechtsame im Olpenitzer Noor von 1703 bis 1707, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln, 2003, S. 116-122
Horst Franzen: Neue Mosaiksteine zur Siedlungs- und Fischereigeschichte des Schleimündungsgebietes, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln, 2007, S. 190-204
Horst Franzen: „Von den Heringszäunen – so in dem Schliestrom liegen“, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln, 2013, S. 77-93
Horst Franzen: Streit um die Wadenfischerei in der Schlei. Bundgarne – Nachfolger der Heringszäune, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln, 2014, S. 97-92
Hans-Christian Green: Fischereirechte an der Schlei, Manuskript, ungedruckt
Hans-Christian Green: Das Fischereiwesen. Familie Green, Fischer aus Boknis, in: Neue Chronik der Gemeinde Boren, 2015
Marlies Jensen: Vom Holm, den Holmern und der Welt. Petri-Patri-Paradies, Neumünster 1996
Hans Jessen: Die kleine Schlei-Fischerei, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln, 1991, S. 236-245
Johannes Lepiksaar / Dirk Heinrich: Untersuchungen an Fischresten aus der frühmittelalterlichen Siedlung Haithabu, Kiel 1977
Ingrid Lupatsch / Walter Nellen: Der Zustand der Fischbestände in der Schlei und die Entwicklung der Fischerei im Zeitraum 1962-1981, Kiel 1981
Walther Luth: Viele Jahrhunderte Schleifischerei, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln, 1972, S. 116-125
Arnold Lühning, Heringszäune in der Schlei, in: Heinrich Mehl und Doris Tillmann, Fischer – Boote – Netze, Geschichte der Fischerei in Schleswig-Holstein, Heide 1999
Heinrich Mehl: Fischer – Boote – Netze: Geschichte der Fischerei in Schleswig-Holstein, Heide 1999
R. Neubaur / S. Jaeckel: Die Schlei und ihre Fischereiwirtschaft, in: Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins Schleswig-Holstein (21), 1935, S. 314-360
C. Radke: Bemerkungen zum mittelalterlichen Fischfang mit Heringszäunen in der Schlei, in: Berichte über die Ausgabungen in Haithabu, Neumünster 1977, S. 123-140
Nicolaus Schmidt: 1667-2017. Arnis. Die kleinste Stadt Deutschlands, Kiel 2017
Dagmar Unverhau: Die Schleiatlanten von Johannes Meyer, in: Nordelbingen (54), Heide 1985, S. 29-66
Ältere Literatur / Quellen:
Allgemeine Fischereizeitung (1887, Bd. 2)
Georg Ferdinand Baumert: Das Recht der Schleswiger Fischer an der Schleifischerei. Eine Entgegnung, Schleswig 1917
Brone: Handbuch der Fischzucht, Berlin 1886
Andreas Gudme: Schleswig-Holstein: eine statistisch-geographisch-topographische Darstellung, Kiel 1833
Heinrich Henking: Die Ostseefischerei, 1929
Hensen: Resultate der Statistischen Beobachtungen über die Fischerei an den deutschen Küsten, in: Jahresbericht der Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere in Kiel, Berlin 1878
Georg Kupke: Die Stadt Schleswig und ihr Anrecht auf die Schleifischerei, Schleswig 1916
Schleswig-Holsteinische Anzeigen 1848
Hermann Seehase: Die Fischerei in Schleswig-Holstein, Hamburg 1935
Fischerei-Zeitung 1886, 1889, 1891, 1895, 1899, 1903, 1907, 1908
Beitagsbild: ©FotokistenKay / Fotolia
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