Karfreitag, Ostern & die Norbyer Au

Last Updated on 25. Januar 2020

Frohe Ostern. Die frühe Sonne geht über dem stillen Osterdunst der Schlei auf. Es ist Ostersonntag. Die Karwoche liegt hinter uns. Auch ich bin ein Christ. Wie könnte es anders sein. Das Christentum hat unser Wertesystem teils erfolgreich durchdrungen. Da ist dieser Mensch Jesus vor 2000 Jahren für uns gestorben. Aber Millionen sterben täglich auch für uns. Grad heut gedenkt die Osterstille während der Maisbestellung ihrer mit unerträglichem Gestank.

Paolo Freire, der große südamerikanische Lehrer der Menschheit, erklärte den Analphabeten Brasiliens die Welt an Hand eines Stuhles. Wer hat ihn wie gebaut und warum, klebt vielleicht sogar Blut an ihm? Man kann die Probleme der Schlei ebenso an einer ihrer kleinen Auen aufzählen, nehmen wir als Beispiel die Norbyer Au.

Norbyer Au
Da sind Schlüßelblumen, Sumpfdotter und Scharbockskraut und vernünftige Sedimente: auch ein Paradies…

Ca. 3 km lang entwässert sie einen Teil der Norbyer Heide, Lundhofs und Bohnerts. Vielleicht 1000 ha Schwansen, also 10 km².  Sie entspringt nördlich des Drengberges, der Dinghöfter Wald bildet die Wasserscheide, südlich entwässert das Land durch das Schöpfgebiet des Sönderbyer Seitenarmes der Koseler Au.

Sie ist nicht berichtspflichtig im Sinne der WRRL, „bildet“ aber einen eigenen Wasserverband. Den kleinsten in Schwansen. Wo sie schmal ist, ist sie „oben“ auch teilverrohrt. Sie kennt Abstürze, ist also nicht durchgängig für Fisch und Kleinlebewesen und Sedimente. Sie ist menschlich stark verändert, hat ein „menschlich-technisches“ Profil bekommen. Die K 83 , die „Zuckerrübenstraße“ überquert sie. Hier wurde ein viel zu enges Betonrohr verbaut. Der BM der Gemeinde versucht in Zusammenarbeit mit dem Kreis dies noch zu heilen. Sie dient dem Klärwerk als Vorflut, plätschert durch Bohnerts Wiesen als Niederungsbach und mündet träge und moddrig geworden ins Ornumer Noor, in die Schlei.

Ihr Herz schlägt mit der Landwirtschaft. Ich beprobe sie seit 8 Jahren. Oft findet man Gülle und Eiweißschaum 10cm hoch auf der Au. 2013 ergab eine Probe 160mg Nitrat, 4,4 mg Nitrit, 6mg Ammonium und 1,5mg Phosphat, ein tödlicher Cocktail. Meist tickt ihr Herz aber wie das der berichtspflichtigen Auen. Eine Handvoll Höfe entwässern auch ihre Hofflächen in die Au. Ein offenes System und es gibt in Bohnert noch versteckte, inzwischen mehr oder weniger stillgelegte Überläufe aus  alten Klärgruben, die auf verwinkelten Wegen über Nebenarme in die Au laufen. Viele kenne ich. Zuweilen läuft ein Güllewagen über wie in der Karwoche und die Au wird schwarz mit nicht mehr meßbaren Nitratwerten.
(Wir haben durch Verdünnung der Probe einen Wert über 360mg Nitrat mit dem Meßcomputer von Söll ermittelt und 1,5mg Phosphor, die Restprobe ist eingefroren) Unter dem Mikroskop fand ich mit Reststärke behaftete Zellwände, zweifellos schwarzes Gärsubstrat in großer Menge, zweieinhalb Tage lang blieb das so in der Karwoche. Ich zeige gerne auf, aber niemals an.

Svenja Voß schreibt in ihrer Masterarbeit vom 1. August 2015 vorgelegt vor der Professur für Hydrologie Freiburg i. Br. Frau Prof.Dr. Schmalz mit dem Titel „Untersuchungen zur Wasserqualität von Kleinstzuläufen in die Ostsee am Beispiel eines S.-H. Küstenabschnittes“:
„Die Nährstoffanreicherung und die damit verbundene Eutrophierung sind seit Dekaden eines der Hauptprobleme der Ostsee. Ein großer Anteil der Einträge stammt aus diffusen Quellen, insbesondere aus der Landwirtschaft. Durch das S.-H. Landesmeßnetz werden nur 50% der Gewässer des S.-H. Ostseeeinzugsgebietes untersucht, somit wird ein großer Anteil der Frachteinträge nicht erfasst….Wahrend des Untersuchungszeitraumes wurden durch die beprobten Zuläufe (Surendorf, vergleichbar Norbyer Au. Der Verfasser) 16,53 t Stickstoff und 0,46 t Phosphor in die Ostsee geleitet…..“

Die Schlei ist momentan dicht grün mit Sichttiefen  in Handbreitstiefe. Noch nie in den letzten 20 Jahren war es so schlimm. Eine starke Faulschlammneubildung und Blaualgenteppiche werden bei einem heißen Sommer die Folge sein. Die Umweltprobleme verschärfen sich. Die Schlei nur eine Müllkippe?
Ja und nein.
Sie hat auch Fortschritte gemacht, die sich auch an der Norbyer Au widerspiegeln. Einer der wenigen jungen Landwirte bemüht sich engagiert um die Au, würde eine Wiese zur Verfügung stellen für eine Auschleife zur Umgehung eines Absturzes, den Weißfische, Barsche und Kleinlebewesen nicht passieren können. Man sieht  bereits auch beste Technik, die Gülle&Substrate bei der Ausbringung sofort einarbeitet. Aber große Flächen werden vorsintflutlich/billig mit dem Prallteller gegüllt und erst viel später eingepflügt und vielleicht ein Viertel der N-Nährstoffe gasen in die Osterluft aus.

Kammlaichkraut macht Fortschritte in der Schlei, auch Muscheln und Krebse erobern sich Raum zurück. Diese Fortschritte sind wunderbar und gleichzeitig äußerst fragil, zerbrechlich. In Kosel droht eine riesige Deponie zu entstehen, die auch den Atommüll aufnehmen wird, zumindest aber Gifte aller Art, die mit den Sanderschichten in die Schlei ziehen werden. Und: Shit happens wie der der Unfall von Unbekannt in Lundshof in der Karwoche. Unfälle färben die Au schwarz und die Osterluft stinkt bestialisch.  So wird es auch Unfälle in der Deponie geben. Alles was schief gehen kann, geht auch schief. Darauf muß man vorbereitet sein. Ist man aber nicht. Die Gifte fließen sofort in die Schlei.

Die Gemeindevertretung Kosel tut sich schwer, wenig Geld wenigstens für die Durchgängigkeit der Norbyer Au auszugeben. Sie bleibt ein Abwasserkanal in den Köpfen der ewig Gestrigen. („Was kann man für 11TD€ doch an Fisch kaufen“) Das Alte kämpft  mit dem Neuen. Auch in den Flußgebietsgruppen, den Ministerien, den Landesämtern, unter den Landwirten…Dabei geben uns die Schlei und ihre Auen  einen unschätzbaren Wert. Sie sind unsere Heimat. Unsere Identität.

                                                    -Wir von der Schlei-

Das eigene Nest sauberhalten ist unser aller Aufgabe. Unsere Welt, Europa, Deutschland, Schleswig-Holstein, die Schlei, die Norbyer Au. Wenn wir das nicht machen & schaffen, die Kreisläufe nicht durchbrechen, werden wir durch das Gewinnstreben aus diesem Paradies vertrieben werden. Der Aufbau eines SIEZ gehört zu den Mitteln der christlichen Vernunft dazu.

Ostern 2019 Karl Marianne Walther 1.ter Vorsitzender SIEZ®

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